Die vorliegende Übersetzung des Konvergenzberichts umfasst nicht alle Kapitel. Die vollständige englische Sprachfassung des Berichts ist auf der Website der EZB abrufbar.
1 Einleitung
Der Euro wurde bereits in 20 der 27 EU-Mitgliedstaaten eingeführt. Der vorliegende Bericht beschäftigt sich mit sechs der sieben Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet noch nicht beigetreten sind. Dabei handelt es sich um Bulgarien, die Tschechische Republik, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden. Diese Länder sind gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (nachfolgend „AEUV“) verpflichtet, den Euro einzuführen, und müssen sich daher bemühen, sämtliche Konvergenzkriterien zu erfüllen.[1] Der siebte Mitgliedstaat, nämlich Dänemark, hat im Jahr 1992 gegenüber dem Rat der Europäischen Union seine Absicht erklärt, nicht an der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) teilzunehmen.[2] Dementsprechend müssen für Dänemark nur auf Antrag des Landes Konvergenzberichte vorgelegt werden. Da Dänemark keinen solchen Antrag eingereicht hat, ist das Land nicht Gegenstand dieses Berichts.
Mit der Vorlage dieses Berichts erfüllt die EZB die Vorgaben von Artikel 140 AEUV. Demnach haben die EZB und die Europäische Kommission dem Rat der Europäischen Union mindestens alle zwei Jahre oder auf Antrag eines EU‑Mitgliedstaats, für den eine Ausnahmeregelung gilt, zu berichten, „inwieweit die Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, bei der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion ihren Verpflichtungen bereits nachgekommen sind“. Die sechs im vorliegenden Bericht betrachteten Länder wurden im Rahmen des regelmäßigen Zweijahreszyklus untersucht. Die Europäische Kommission hat ebenfalls einen Bericht erstellt, der dem Rat der Europäischen Union zeitgleich mit dem Konvergenzbericht der EZB vorgelegt wird.
Die EZB verwendet in diesem Bericht das Analyseschema aus ihren früheren Konvergenzberichten. Sie prüft, ob die sechs betreffenden Länder ein hohes Maß an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz erreicht haben, ob die innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit den Verträgen sowie der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (nachfolgend „ESZB‑Satzung“) vereinbar sind und ob die rechtlichen Anforderungen eingehalten werden, die erfüllt sein müssen, damit die entsprechende nationale Zentralbank (NZB) integraler Bestandteil des Eurosystems werden kann.
Die Prüfung des wirtschaftlichen Konvergenzprozesses hängt entscheidend von der Qualität und Integrität der zugrunde liegenden Statistiken ab. Die Aufbereitung und Meldung statistischer Daten darf nicht politischen Überlegungen oder politischer Einflussnahme unterliegen. Die Mitgliedstaaten der EU wurden aufgefordert, der Qualität und Integrität ihrer Statistiken hohe Priorität beizumessen, die Absicherung der Datenaufbereitung durch umfassende Kontrollen zu gewährleisten und Mindeststandards bei der Erstellung der Statistiken anzuwenden. Diese Standards sind von größter Bedeutung, um die Unabhängigkeit, Integrität und Rechenschaftspflicht der nationalen Statistikämter sowie das Vertrauen in die Qualität der Statistiken zu den öffentlichen Finanzen zu stärken (siehe Kapitel 6 in der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts).
Seit dem 4. November 2014 muss jeder EU-Mitgliedstaat, für den die Ausnahmeregelung aufgehoben worden ist, spätestens am Tag der Einführung des Euro auch dem Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) beitreten.[3] Ab diesem Zeitpunkt gelten für diesen Mitgliedstaat sämtliche aus dem SSM erwachsenden Rechte und Pflichten. Es ist daher unabdingbar, dass die erforderlichen Vorbereitungen getroffen werden. Insbesondere werden die Bankensysteme der Mitgliedstaaten, die dem Euro‑Währungsgebiet und somit dem SSM beitreten, einer umfassenden Bewertung (Comprehensive Assessment) unterzogen.[4] Bulgarien ist derzeit das einzige Land, das im Rahmen einer mit der EZB vereinbarten engen Zusammenarbeit am SSM teilnimmt. Hintergrund ist die Verpflichtung Bulgariens, der Bankenunion und dem Wechselkursmechanismus (WKM II) gleichzeitig beizutreten.[5] Der Rahmen für die enge Zusammenarbeit mit der Българска народна банка (der Bulgarischen Nationalbank) trat am 1. Oktober 2020 in Kraft, nachdem die notwendigen aufsichtlichen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren. An diesem Tag übernahm die EZB die Zuständigkeit für a) die direkte Aufsicht über die bedeutenden Institute in Bulgarien, b) die gemeinsamen Verfahren für alle beaufsichtigten Unternehmen und c) die indirekte Aufsicht (Oversight) über weniger bedeutende Institute, die weiterhin von der nationalen zuständigen Behörde beaufsichtigt werden. Die EZB-Bankenaufsicht und die Българска народна банка (Bulgarische Nationalbank) haben sehr eng zusammengearbeitet, um eine reibungslose Integration der nationalen zuständige Behörde in den SSM zu gewährleisten.[6]
Der Bericht gliedert sich wie folgt: In Kapitel 2 wird das für die Prüfung der wirtschaftlichen und rechtlichen Konvergenz verwendete Analyseschema beschrieben. Kapitel 3 bietet einen Überblick über die wichtigsten Aspekte der wirtschaftlichen Konvergenz. Kapitel 4 enthält die Länderzusammenfassungen, in denen die Hauptergebnisse der Prüfung der wirtschaftlichen und rechtlichen Konvergenz dargestellt werden. In Kapitel 5 der englischen Gesamtfassung wird der Stand der wirtschaftlichen Konvergenz in den sechs betrachteten EU-Mitgliedstaaten eingehender analysiert, und Kapitel 6 gibt einen Überblick über die Konvergenzindikatoren sowie über die statistische Methode zu deren Erstellung. In Kapitel 7 der Gesamtfassung wird schließlich geprüft, inwieweit die innerstaatlichen Rechtsvorschriften dieser Mitgliedstaaten einschließlich der Satzung der jeweiligen NZB mit Artikel 130 und Artikel 131 AEUV vereinbar sind.
2 Analyseschema
2.1 Wirtschaftliche Konvergenz
Um den Stand der wirtschaftlichen Konvergenz in den EU-Mitgliedstaaten zu prüfen, die den Euro einführen wollen, verwendet die EZB ein einheitliches Analyseschema. Dieses Analyseschema, das in allen Konvergenzberichten des Europäischen Währungsinstituts (EWI) und der EZB konsistent angewandt wurde, stützt sich zum einen auf die Bestimmungen des AEUV und deren Anwendung durch die EZB in Bezug auf die Entwicklung der Preise, der Finanzierungssalden und Schuldenquoten des Staates, der Wechselkurse und der langfristigen Zinssätze sowie sonstiger Faktoren, die für die wirtschaftliche Integration und Konvergenz relevant sind. Zum anderen basiert es auf einer Reihe zusätzlicher vergangenheitsbezogener und zukunftsorientierter Wirtschaftsindikatoren, die für eine genauere Prüfung der Dauerhaftigkeit der Konvergenz zweckmäßig erscheinen. Einige Elemente des Analyseschemas wurden im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Die Untersuchung des betreffenden Mitgliedstaats auf Basis all dieser Faktoren liefert zudem wichtige Erkenntnisse, mit deren Hilfe gewährleistet wird, dass dessen Integration in das Euro-Währungsgebiet ohne größere Probleme vonstattengehen kann. In den Kästen 1 bis 5 werden die rechtlichen Bestimmungen zusammengefasst und methodische Einzelheiten zu deren Anwendung durch die EZB dargelegt.
Um die Kontinuität und Gleichbehandlung sicherzustellen, baut der vorliegende Bericht auf Prinzipien auf, die in früheren Berichten der EZB erläutert wurden. Insbesondere legt die EZB (wie davor das EWI) bei der Anwendung der Konvergenzkriterien eine Reihe von Leitprinzipien zugrunde. Erstens werden die einzelnen Kriterien strikt ausgelegt und angewandt, denn sie sollen im Wesentlichen sicherstellen, dass nur diejenigen Mitgliedstaaten, die der Gewährleistung von Preisstabilität und dem Zusammenhalt des Euro‑Währungsgebiets förderliche wirtschaftliche Bedingungen aufweisen, diesem beitreten können. Zweitens bilden die Konvergenzkriterien ein kohärentes und integriertes Ganzes und müssen allesamt erfüllt werden. Der AEUV führt die Kriterien gleichberechtigt auf und legt keine Rangordnung nahe. Drittens müssen die Konvergenzkriterien auf Grundlage von Ist-Daten und nicht auf Basis von Prognosen erfüllt werden. Viertens sollten die Konvergenzkriterien auf konsistente, transparente und einfache Weise angewandt werden. Außerdem ist bei der Untersuchung der Einhaltung der Konvergenzkriterien von zentraler Bedeutung, dass diese dauerhaft und nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt eingehalten werden. Aus diesem Grund beschäftigen sich die Länderberichte ausführlich mit der Dauerhaftigkeit der Konvergenz.
Die Wirtschaftsentwicklung wird daher in den betreffenden Ländern im Rückblick betrachtet, wobei prinzipiell die vergangenen zehn Jahre einbezogen werden. So lässt sich exakter bestimmen, inwieweit die aktuellen Fortschritte auf echte strukturelle Anpassungen zurückzuführen sind, wodurch sich wiederum die Dauerhaftigkeit der wirtschaftlichen Konvergenz besser einschätzen lassen sollte.
Außerdem wird, soweit dies zweckmäßig erscheint, eine vorausschauende Perspektive eingenommen. In diesem Zusammenhang wird insbesondere der Tatsache Rechnung getragen, dass die Nachhaltigkeit einer günstigen Wirtschaftsentwicklung entscheidend von angemessenen und dauerhaften politischen Maßnahmen zur Bewältigung bestehender und zukünftiger Herausforderungen abhängt. Zur Förderung der Preisstabilität und eines mittel- bis langfristig nachhaltigen Wachstums spielen überdies eine verantwortungsvolle wirtschafts- und finanzpolitische Steuerung, handlungsfähige Institutionen und tragfähige öffentliche Finanzen eine wichtige Rolle. Insgesamt ist hervorzuheben, dass für die Gewährleistung einer dauerhaften wirtschaftlichen Konvergenz die Erreichung einer soliden Ausgangsposition, das Vorhandensein handlungsfähiger Institutionen, die Widerstandsfähigkeit gegenüber Schocks und die Verfolgung eines angemessenen politischen Kurses nach Einführung des Euro von entscheidender Bedeutung sind.
Das einheitliche Schema wird separat auf die sechs zu prüfenden EU‑Mitgliedstaaten angewandt. Diese Prüfungen, die auf die Entwicklung in den jeweiligen Mitgliedstaaten abstellen, sind im Einklang mit den Bestimmungen von Artikel 140 AEUV gesondert zu betrachten.
Redaktionsschluss für die in diesem Konvergenzbericht enthaltenen Statistiken war der 19. Juni 2024. Die bei der Anwendung der Konvergenzkriterien herangezogenen statistischen Daten wurden von der Europäischen Kommission (im Fall der Wechselkurse und Langfristzinsen in Zusammenarbeit mit der EZB) zur Verfügung gestellt (siehe Kapitel 6 sowie die Tabellen und Abbildungen in der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts). In Abstimmung mit der Europäischen Kommission erstreckt sich der Referenzzeitraum für das Kriterium der Preisstabilität und das Kriterium des langfristigen Zinssatzes von Juni 2023 bis Mai 2024. Der Referenzzeitraum für die Wechselkurse erstreckt sich vom 20. Juni 2022 bis zum 19. Juni 2024. Historische Daten zur Lage der öffentlichen Finanzen beziehen sich auf den Zeitraum bis 2023. Herangezogen werden auch Prognosen verschiedener Quellen sowie andere Informationen, die für eine in die Zukunft gerichtete Prüfung der Dauerhaftigkeit der Konvergenz wichtig sind. Die Frühjahrsprognose 2024 und der Warnmechanismus-Bericht 2024 der Europäischen Kommission, die im vorliegenden Bericht berücksichtigt werden, wurden am 15. Mai 2024 bzw. am 21. November 2023 veröffentlicht. Am 21. Juni 2024 wurde der vorliegende Konvergenzbericht vom Erweiterten Rat der EZB verabschiedet.
Dieser Konvergenzbericht berücksichtigt zudem die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die Konvergenzbeurteilung. Bereits seit 2021 hatten sich die Energiepreise, insbesondere die Preise für Gas, stark erhöht. Grund hierfür war unter anderem die Tatsache, dass Russland die Gaslieferungen nach Europa einschränkte. Der russische Einmarsch in die Ukraine Ende Februar 2022 verschärfte den sprunghaften Anstieg der Energie- und Nahrungsmittelpreise noch und führte zu einer erheblichen Belastung der öffentlichen Haushalte, zu Störungen des Handels und einer erhöhten Unsicherheit. Diese Entwicklungen trafen die EU, als sie sich noch von den Auswirkungen der Corona-Pandemie erholte. Länder mit einer höheren Energieabhängigkeit von Russland und zuvor bestehenden engeren Handelsbeziehungen wurden stärker in Mitleidenschaft gezogen als andere. Angesichts der relativ kurzen Zeitspanne ist es schwierig, eindeutige Schlussfolgerungen hinsichtlich der Auswirkungen auf den mittel- bis langfristigen Konvergenzpfad zu ziehen. Diese hängen auch vom weiteren Verlauf des russischen Krieges gegen die Ukraine sowie von den weiteren geopolitischen Entwicklungen ab. Der in die Zukunft gerichtete Teil der Konvergenzbeurteilung ist daher mit größerer Unsicherheit als üblich behaftet.
Die rechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Preisentwicklung und deren Anwendung durch die EZB sind in Kasten 1 dargelegt.
Kasten 1
Preisentwicklung
1. Bestimmungen des AEUV
Artikel 140 Absatz 1 erster Gedankenstrich AEUV fordert, dass im Rahmen des Konvergenzberichts geprüft wird, ob ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist. Maßstab hierfür ist, ob die einzelnen Mitgliedstaaten das folgende Kriterium erfüllen:
die „Erreichung eines hohen Grades an Preisstabilität, ersichtlich aus einer Inflationsrate, die der Inflationsrate jener – höchstens drei – Mitgliedstaaten nahe kommt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben“.
Artikel 1 des Protokolls (Nr. 13) über die Konvergenzkriterien legt fest:
„Das in Artikel 140 Absatz 1 erster Gedankenstrich des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union genannte Kriterium der Preisstabilität bedeutet, dass ein Mitgliedstaat eine anhaltende Preisstabilität und eine während des letzten Jahres vor der Prüfung gemessene durchschnittliche Inflationsrate aufweisen muss, die um nicht mehr als 1 ½ Prozentpunkte über der Inflationsrate jener – höchstens drei – Mitgliedstaaten liegt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben. Die Inflation wird anhand des Verbraucherpreisindexes auf vergleichbarer Grundlage unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Definitionen in den einzelnen Mitgliedstaaten gemessen.“
2. Anwendung der Bestimmungen des AEUV
In diesem Bericht wendet die EZB die Bestimmungen des AEUV wie folgt an:
Erstens wurde im Hinblick auf „eine während des letzten Jahres vor der Prüfung gemessene durchschnittliche Inflationsrate“ die Teuerungsrate anhand der Veränderung des Zwölfmonatsdurchschnitts des HVPI im Referenzzeitraum von Juni 2023 bis Mai 2024 gegenüber dem Zwölfmonatsdurchschnitt der Vorperiode berechnet. Die Teuerung wurde auf der Grundlage des HVPI gemessen, der entwickelt wurde, um die Konvergenz im Hinblick auf die Preisstabilität auf vergleichbarer Grundlage beurteilen zu können (siehe Abschnitt 6.2 in der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts). Zweitens wurde der Vorgabe „höchstens drei [...] Mitgliedstaaten [...], die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben“ Rechnung getragen, indem für den Referenzwert das ungewichtete arithmetische Mittel der Teuerungsraten der drei Mitgliedstaaten mit den niedrigsten Teuerungsraten (ohne Ausreißer) herangezogen wurde.
Das Konzept des „Ausreißers“ wurde bereits in früheren Konvergenzberichten der EZB sowie in den Konvergenzberichten des EWI behandelt. Entsprechend diesen Berichten gilt ein Mitgliedstaat dann als Ausreißer, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens liegt der Zwölfmonatsdurchschnitt seiner Inflationsrate erheblich unterhalb des Durchschnitts des Euroraums, und zweitens wurde seine Preisentwicklung stark durch außergewöhnliche Faktoren beeinflusst. Zur Identifizierung von Ausreißern wird kein mechanischer Ansatz herangezogen. Das Konzept des Ausreißers wurde eingeführt, damit angemessen auf potenzielle signifikante Verzerrungen der Inflationsentwicklung in einzelnen Ländern reagiert werden kann, die die Repräsentativität der Inflationsraten in diesen Ländern als Richtwert für die Konvergenz verringern.
Der Ansatz der EZB zur Ermittlung von Ausreißern in diesem Bericht entspricht dem Ansatz früherer EZB-Konvergenzberichte. In einigen Fällen kann es bei der Ermittlung von Ausreißern zu knappen Entscheidungen kommen. Dieselbe Methodik kann zu leicht unterschiedlichen Ergebnissen führen. Dies hängt beispielsweise davon ab, wie der Begriff „außergewöhnliche Faktoren“ interpretiert wird.
Die Inflationsrate Finnlands wurde bei der Berechnung des Referenzwerts nicht berücksichtigt. Der Zwölfmonatsdurchschnitt der finnischen Teuerungsrate lag im Mai 2024 bei 1,9 %. Finnland wurde bei der Berechnung des Referenzwerts in diesem Bericht als Ausreißer behandelt, da seine Inflationsrate im Referenzzeitraum aufgrund außergewöhnlicher Faktoren erheblich niedriger ausfiel als im Durchschnitt des Euroraums. So schlägt sich in der relativ verhaltenen Inflationsentwicklung Finnlands insbesondere eine Anpassung des Strompreisindex nieder. Diese Anpassung hatte die finnische Statistikbehörde (Statistics Finland) vorgenommen, um einen früheren Fehler aufgrund einer Doppelzählung zu korrigieren. Die Korrektur wurde im August 2023 durchgeführt. In der Folge fiel die Jahresänderungsrate der HVPI-Inflation schätzungsweise um 0,7 Prozentpunkte niedriger aus.
Vor diesem Hintergrund gelten für die Zwecke dieses Berichts folgende Länder als die drei Mitgliedstaaten, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben (ohne Ausreißer): Belgien (1,9 %), Dänemark (1,1 %) und die Niederlande (2,5 %). Nach Addition von 1 ½ Prozentpunkten zum Durchschnitt dieser drei Raten ergibt sich ein Referenzwert für das Preisstabilitätskriterium von 3,3 %.
Dabei ist zu beachten, dass die Inflationsentwicklung eines Landes gemäß dem AEUV in Relation zur Entwicklung in anderen Mitgliedstaaten untersucht wird. Somit trägt das Kriterium der Preisstabilität dem Umstand Rechnung, dass allgemeine Schocks (wie sie etwa von der internationalen Rohstoffpreisentwicklung herrühren) dazu führen können, dass die Inflationsraten zeitweilig von den Inflationszielen der Zentralbanken abweichen.
Zu berücksichtigen ist, dass auch Belgien und Dänemark als Ausreißer klassifiziert werden könnten. So lag der Zwölfmonatsdurchschnitt der Inflationsraten in diesen Ländern im Mai 2024 erheblich unterhalb des Durchschnitts des Euroraums (um 1,5 bzw. 2,3 Prozentpunkte). Die sehr unterschiedliche Inflationsdynamik zwischen diesen Ländern und dem Euroraum resultierte in erster Linie aus dem stärkeren Rückgang der Energiekomponente des HVPI. Ursächlich hierfür war wiederum, dass die Großhandelspreise für Energie vor allem aufgrund der jeweiligen Ausgestaltung der Energieverträge schneller auf die entsprechenden Endkundenpreise durchwirkten.
Die EZB behandelt Belgien und Dänemark in diesem Bericht nicht als Ausreißer, da sie länderspezifische Unterschiede beim Durchwirken der internationalen Energiepreise auf die Energiepreise im Inland nicht als außergewöhnliche Faktoren ansieht. Vielmehr kommen darin strukturelle Differenzen an den Energiemärkten der Mitgliedstaaten zum Ausdruck. Von der im vorliegenden Bericht vorgenommenen Festlegung der Mitgliedstaaten, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben, bleibt die Erstellung künftiger Konvergenzberichte unberührt.
Der Durchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate im zwölfmonatigen Berichtszeitraum von Juni 2023 bis Mai 2024 wird der Inflationsdynamik gegenübergestellt, die in den letzten zehn Jahren im betreffenden Land zu beobachten war. Dies ermöglicht eine genauere Beurteilung der Nachhaltigkeit der Preisentwicklung im untersuchten Land. Dabei werden der geldpolitische Kurs – insbesondere die Frage, ob die Geldpolitik vorrangig auf das Erreichen und die Gewährleistung von Preisstabilität ausgerichtet ist – sowie der Beitrag, den andere Bereiche der Wirtschaftspolitik zur Erreichung dieses Ziels geleistet haben, eingehend untersucht. Darüber hinaus wird die Bedeutung des gesamtwirtschaftlichen Umfelds für die Erreichung von Preisstabilität berücksichtigt. Die Preisentwicklung wird unter dem Aspekt von Angebots- und Nachfragebedingungen untersucht, wobei ein besonderes Augenmerk unter anderem auf Faktoren wie Lohnstückkosten und Importpreise gelegt wird. Schließlich wird auch die trendmäßige Entwicklung anderer relevanter Preisindizes berücksichtigt. Vorausblickend werden die für die nächsten Jahre zu erwartenden Inflationsentwicklungen, einschließlich der Prognosen wichtiger internationaler Organisationen und der Marktteilnehmer, dargelegt. Ferner werden institutionelle und strukturelle Aspekte erörtert, die für die Gewährleistung eines der Preisstabilität förderlichen Umfelds nach der Einführung des Euro von Bedeutung sind.
Die rechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Entwicklung der öffentlichen Finanzen und deren Anwendung durch die EZB sowie Verfahrensfragen sind in Kasten 2 dargelegt.
Kasten 2
Entwicklung der öffentlichen Finanzen
1. Bestimmungen des AEUV und anderer Rechtsgrundlagen
Artikel 140 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich AEUV fordert, dass im Rahmen des Konvergenzberichts geprüft wird, ob ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist. Maßstab hierfür ist, ob die einzelnen Mitgliedstaaten das folgende Kriterium erfüllen:
„eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand, ersichtlich aus einer öffentlichen Haushaltslage ohne übermäßiges Defizit im Sinne des Artikels 126 Absatz 6“.
Artikel 2 des Protokolls (Nr. 13) über die Konvergenzkriterien legt fest:
„Das in Artikel 140 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich des genannten Vertrags genannte Kriterium der Finanzlage der öffentlichen Hand bedeutet, dass zum Zeitpunkt der Prüfung kein Beschluss des Rates nach Artikel 126 Absatz 6 des genannten Vertrags vorliegt, wonach in dem betreffenden Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht.“
Artikel 126 AEUV regelt das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit. Gemäß Artikel 126 Absatz 2 und Absatz 3 AEUV erstellt die Europäische Kommission einen Bericht, wenn ein Mitgliedstaat die Anforderungen an die Haushaltsdisziplin nicht erfüllt, insbesondere wenn
- das Verhältnis des geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizits zum BIP einen bestimmten Referenzwert (im Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit auf 3 % des BIP festgelegt) überschreitet, es sei denn, dass
- entweder das Verhältnis erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwerts erreicht hat
- oder der Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wird und das Verhältnis in der Nähe des Referenzwerts bleibt,
- das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum BIP einen bestimmten Referenzwert (im Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit auf 60 % des BIP festgelegt) überschreitet, es sei denn, dass das Verhältnis hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert.
Darüber hinaus ist in dem Bericht der Europäischen Kommission zu berücksichtigen, ob das öffentliche Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen überschreitet; berücksichtigt werden ferner alle sonstigen einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und Haushaltslage des Mitgliedstaats. Die Kommission kann ferner einen Bericht erstellen, wenn sie ungeachtet der Erfüllung der Kriterien der Auffassung ist, dass in einem Mitgliedstaat die Gefahr eines übermäßigen Defizits besteht. Der Wirtschafts- und Finanzausschuss gibt eine Stellungnahme zu dem Bericht der Europäischen Kommission ab. Dann beschließt nach Artikel 126 Absatz 6 AEUV der Rat der Europäischen Union mit qualifizierter Mehrheit (ohne die Stimme des betroffenen Mitgliedstaats) auf Empfehlung der Kommission und unter Berücksichtigung der Bemerkungen, die der betreffende Mitgliedstaat gegebenenfalls abzugeben wünscht, nach Prüfung der Gesamtlage, ob in einem Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht.
Die Bestimmungen von Artikel 126 AEUV werden durch Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates[7], geändert durch Verordnung (EU) Nr. 1177/2011[8] sowie Verordnung (EU) Nr. 2024/1264[9], unter anderem hinsichtlich der folgenden Punkte konkretisiert:
- Die Gleichrangigkeit des Schuldenstandskriteriums mit dem Defizitkriterium wird bekräftigt, indem Ersteres operationalisiert wird.
- Es werden die Bedingungen spezifiziert, unter denen davon ausgegangen wird, dass das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum BIP bei Überschreiten des Referenzwerts hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert im Sinne von Artikel 126 Absatz 2 Buchstabe b AEUV nähert. Durch die Reform der EU-Haushaltsregeln werden die Bedingungen angepasst, unter denen das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum BIP bei Überschreiten des Referenzwerts als hinreichend rückläufig und sich rasch genug dem Referenzwert nähernd im Sinne von Artikel 126 Absatz 2 Buchstabe b AEUV gilt. Insbesondere sieht Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung vor, dass die Anforderung des Schuldenstandskriteriums als erfüllt gilt, wenn der betreffende Mitgliedstaat seinen Nettoausgabenpfad einhält. Die Kommission erstellt einen Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV, wenn das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum BIP den Referenzwert überschreitet, der Haushalt nicht nahezu ausgeglichen ist oder keinen Überschuss aufweist und wenn die im Kontrollkonto des Mitgliedstaats verbuchten Abweichungen entweder 0,3 Prozentpunkte des BIP pro Jahr oder kumuliert 0,6 Prozentpunkte des BIP überschreiten.
- Ferner werden die einschlägigen Faktoren konkretisiert, die die Kommission bei der Erstellung eines Berichts nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV berücksichtigt. Vor allem wird eine Reihe von Faktoren genannt, die für die Beurteilung der mittelfristigen Entwicklung von Wirtschaft, Finanzierungssalden und Schuldenstand des Staates als einschlägig eingestuft werden (siehe Artikel 2 Absatz 3 der genannten Verordnung sowie im Folgenden eine genauere Beschreibung der darauf gründenden Analyse der EZB).
2. Anwendung der Bestimmungen des AEUV
Die EZB bringt zum Zweck der Konvergenzprüfung ihre Auffassung zur Entwicklung der öffentlichen Finanzen zum Ausdruck. Mit Blick auf die Tragfähigkeit prüft die EZB die wichtigsten Indikatoren der Entwicklung der öffentlichen Finanzen von 2014 bis 2023 sowie die Aussichten und die Herausforderungen für die öffentlichen Finanzen. Dabei befasst sie sich besonders mit dem Zusammenhang zwischen Defiziten und Schuldenentwicklung. Was die Auswirkungen der Pandemie und des russischen Krieges gegen die Ukraine auf die öffentlichen Finanzen anbelangt, beruft sich die EZB auf die allgemeine Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts, die vom 20. März 2020 bis zum 31. Dezember 2023 aktiviert war. Im Einzelnen besagten vor der Reform im April 2024 Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates[10] für die präventive Komponente, dass „bei einem schweren Konjunkturabschwung im Euro‑Währungsgebiet oder in der Union insgesamt […] den Mitgliedstaaten gestattet werden [kann], vorübergehend von dem Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel […] abzuweichen, vorausgesetzt, dies gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.“ Für die korrektive Komponente besagte Artikel 3 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates: „Bei einem schweren Konjunkturabschwung im Euro-Währungsgebiet oder in der Union insgesamt kann der Rat auf Empfehlung der Kommission ferner beschließen, eine geänderte Empfehlung nach Artikel 126 Absatz 7 AEUV auszusprechen, vorausgesetzt, dies gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.“ In Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates hieß es: „Bei einem schweren Konjunkturabschwung im Euro-Währungsgebiet oder in der Union insgesamt kann der Rat auf Empfehlung der Kommission ferner beschließen, die Inverzugsetzung nach Artikel 126 Absatz 9 AEUV zu ändern, vorausgesetzt, dies gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.“ Die EZB liefert zudem eine Analyse hinsichtlich der Wirksamkeit der nationalen Haushaltsregeln nach dem vor der Reform geltenden Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates sowie nach Richtlinie 2011/85/EU des Rates[11]. In Bezug auf Artikel 126 AEUV ist die EZB im Gegensatz zur Europäischen Kommission nicht formell in das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit eingebunden. Folglich gibt die EZB in ihrem Bericht lediglich an, ob für das Land ein solches Verfahren eröffnet wurde.
Im Hinblick auf die Bestimmung des AEUV, wonach eine Schuldenquote von mehr als 60 % „hinreichend rückläufig“ sein und „sich rasch genug dem Referenzwert [nähern]“ muss, untersucht die EZB die vergangene und künftige Entwicklung der Schuldenquote. Für Mitgliedstaaten, deren Schuldenquote über dem Referenzwert liegt, fügt die EZB die jüngste Beurteilung der Europäischen Kommission über die Einhaltung des Richtwerts für die Schuldensenkung gemäß Artikel 2 Absatz 1a der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates an.
Die Prüfung der Entwicklung der öffentlichen Finanzen stützt sich auf Daten in der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, die gemäß dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) 2010 ermittelt wurden (siehe Kapitel 6 in der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts). Die meisten Zahlen, die im vorliegenden Bericht genannt werden, wurden im April 2024 von der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellt und beziehen sich auf die Finanzlage des Staatssektors von 2014 bis 2023 sowie auf Prognosen der Europäischen Kommission für 2024 bis 2025.
Hinsichtlich der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen werden die Ergebnisse des Referenzjahrs 2023 den Entwicklungen im untersuchten Land in den vergangenen zehn Jahren gegenübergestellt. Zunächst wird die Entwicklung der Defizitquote untersucht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Veränderung der jährlichen Defizitquote eines Landes für gewöhnlich von einer Vielzahl von Bestimmungsfaktoren beeinflusst wird. Diese Einflussgrößen lassen sich in konjunkturelle Faktoren, die die Auswirkungen von Veränderungen des Konjunkturzyklus auf das Defizit widerspiegeln, und nichtkonjunkturelle Faktoren, die häufig als Ausdruck struktureller oder dauerhafter Anpassungen an finanzpolitische Maßnahmen gelten, unterteilen. Diese nichtkonjunkturellen Faktoren, wie sie im vorliegenden Bericht beziffert werden, spiegeln jedoch nicht zwangsläufig ausschließlich eine strukturelle Veränderung der Finanzlage des Staates wider, da sich darin auch die Auswirkungen von politischen Maßnahmen und Sonderfaktoren mit temporären Effekten auf den Haushaltssaldo niederschlagen.
In einem weiteren Schritt wird die Entwicklung der staatlichen Schuldenquote in diesem Zeitraum betrachtet, und es werden die Bestimmungsfaktoren dieser Entwicklung untersucht. Dabei handelt es sich um die Differenz zwischen dem nominalen BIP-Wachstum und den Zinssätzen, den Primärsaldo sowie Veränderungen der Schuldenquote durch Vorgänge, die nicht in der Defizitquote erfasst werden (Deficit-Debt-Adjustments). Daraus können sich weitere Erkenntnisse ergeben, inwieweit das gesamtwirtschaftliche Umfeld – insbesondere das Zusammenspiel von Wachstum und Zinsen – die Verschuldungsdynamik beeinflusst hat. Darüber hinaus wird die Struktur der Staatsverschuldung betrachtet, wobei das Hauptaugenmerk auf den Anteil der Schulden mit kurzer Laufzeit und in fremder Währung sowie deren Entwicklung gerichtet ist. Durch den Vergleich dieser Anteile mit dem jeweiligen Schuldenstand kann die Reagibilität der staatlichen Finanzierungssalden auf Veränderungen der Wechselkurse und Zinssätze herausgestellt werden.
In der Zeit von 2020 bis 2023 wurde die allgemeine Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts der EU aktiviert. Dies ermöglichte es den Ländern, vor dem Hintergrund der Pandemie und des russischen Einmarschs in die Ukraine die notwendigen Maßnahmen zur Koordinierung der Politik im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu ergreifen. Konkret durfte damit von den Haushaltsvorgaben abgewichen werden, die im Normalfall zu erfüllen gewesen wären.
Im April 2024 trat eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts in Kraft. Damit wurden die Regeln für die Eröffnung eines Defizitverfahrens auf der Grundlage des Schuldenkriteriums geändert. Mithilfe der reformierten Regeln sollen die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung und die antizyklische Wirkung der Fiskalpolitik gesichert, ein stärker mittelfristiger Ansatz für die Haushaltspolitik verfolgt sowie unter anderem eine stärkere nationale Eigenverantwortung für den haushaltspolitischen Rahmen erreicht werden. Die Regeln berücksichtigen zudem, dass Reformen, Investitionen und die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sich gegenseitig verstärken und daher gefördert werden sollten. Die Regeln zielen darüber hinaus darauf ab, eine wirksamere Durchsetzung zu gewährleisten.[12] Während die Regeln für die Eröffnung eines auf dem Defizitkriterium beruhenden Defizitverfahrens nahezu unverändert bleiben, werden die Regeln für die Eröffnung eines Defizitverfahrens auf Basis des Schuldenstandskriteriums wie in Kasten 2 beschrieben angepasst. Allerdings wurden 2024 keine schuldenstandsbasierten Defizitverfahren auf Grundlage der Haushaltsergebnisse von 2023 eröffnet. Grund hierfür ist, dass die im Zuge der Reform des haushaltspolitischen Rahmens der EU zu veröffentlichenden nationalen finanzpolitisch-strukturellen Pläne (welche die finanzpolitischen Strategien ab 2025 umfassen) nicht vor Herbst 2024 zur Verfügung stehen werden.
Vorausblickend geht der Bericht auf die jüngsten Prognosen der Europäischen Kommission für 2024 bis 2025 und auf die Beurteilung der langfristigen Herausforderungen für die Schuldentragfähigkeit ein. Hierzu gehören insbesondere die Aussichten für die staatlichen Finanzierungssalden und Schuldenquoten auf der Grundlage der gegenwärtigen Finanzpolitik. Außerdem werden die langfristigen Herausforderungen für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und die wichtigsten Bereiche für künftige Konsolidierungsmaßnahmen hervorgehoben. Hier sind insbesondere die umlagefinanzierten staatlichen Alterssicherungssysteme im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel sowie die Eventualverbindlichkeiten des Staates zu nennen. Anders als in früheren Berichten werden die in den jährlichen Konvergenzprogrammen skizzierten mittelfristigen Haushaltsplanungen der Länder nicht beurteilt. Maßgeblich hierbei ist die Tatsache, dass die Staaten gemäß den neuen Fiskalregeln ihre detaillierten mittelfristigen Haushaltspläne im Rahmen ihrer nationalen finanzpolitisch-strukturellen Pläne darlegen. Abgabefrist für diese ist voraussichtlich der 20. September 2024. Die Pläne, in denen die finanzpolitischen Strategien der Länder für die Zeit ab 2025 beschrieben werden, müssen einen Pfad für die Nettoausgaben enthalten, der einen Zeitraum von mindestens vier Jahren umfasst.
Die rechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Wechselkursentwicklung und deren Anwendung durch die EZB sind in Kasten 3 dargelegt.
Kasten 3
Wechselkursentwicklung
1. Bestimmungen des AEUV
Artikel 140 Absatz 1 dritter Gedankenstrich AEUV fordert, dass im Rahmen des Konvergenzberichts geprüft wird, ob ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist. Maßstab hierfür ist, ob die einzelnen Mitgliedstaaten das folgende Kriterium erfüllen:
die „Einhaltung der normalen Bandbreiten des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems seit mindestens zwei Jahren ohne Abwertung gegenüber dem Euro“.
Artikel 3 des Protokolls (Nr. 13) über die Konvergenzkriterien legt fest:
„Das in Artikel 140 Absatz 1 dritter Gedankenstrich des genannten Vertrags genannte Kriterium der Teilnahme am Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems bedeutet, dass ein Mitgliedstaat die im Rahmen des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems vorgesehenen normalen Bandbreiten zumindest in den letzten zwei Jahren vor der Prüfung ohne starke Spannungen eingehalten haben muss. Insbesondere darf er den bilateralen Leitkurs seiner Währung innerhalb des gleichen Zeitraums gegenüber dem Euro nicht von sich aus abgewertet haben.“
2. Anwendung der Bestimmungen des AEUV
Im Hinblick auf die Wechselkursstabilität untersucht die EZB, ob ein Mitgliedstaat vor der Konvergenzprüfung mindestens zwei Jahre ohne starke Spannungen am WKM II (der im Januar 1999 den WKM ablöste) teilgenommen hat, insbesondere ohne Abwertung gegenüber dem Euro. In Fällen einer kürzeren Teilnahme wird die Wechselkursentwicklung für einen zweijährigen Beobachtungszeitraum beschrieben.
Die Prüfung der Wechselkursstabilität gegenüber dem Euro konzentriert sich darauf, ob der Wechselkurs in der Nähe des WKM-II-Leitkurses gelegen hat, berücksichtigt aber auch Faktoren, die zu einer Aufwertung geführt haben könnten. Dies steht im Einklang mit dem in der Vergangenheit verfolgten Ansatz. In diesem Zusammenhang beeinflusst die Schwankungsbandbreite im WKM II nicht die Prüfung des Kriteriums der Wechselkursstabilität.
Darüber hinaus werden zur Feststellung, ob „starke Spannungen“ vorliegen, allgemein a) die Abweichung der Wechselkurse von den WKM-II-Leitkursen gegenüber dem Euro untersucht, b) Indikatoren wie die Wechselkursvolatilität gegenüber dem Euro und ihre trendmäßige Entwicklung sowie Zinsdifferenzen im kurzfristigen Bereich gegenüber dem Euro-Währungsgebiet und ihre Entwicklung herangezogen, c) Devisenmarktinterventionen berücksichtigt und d) die Bedeutung internationaler Finanzhilfeprogramme für die Stabilisierung der Währung erwogen.
Der für diesen Bericht maßgebliche Beobachtungszeitraum erstreckt sich vom 20. Juni 2022 bis zum 19. Juni 2024. Bei allen bilateralen Wechselkursen handelt es sich um offizielle Referenzkurse der EZB (siehe Kapitel 6 in der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts).
Neben der Teilnahme am WKM II und der Entwicklung des nominalen Wechselkurses gegenüber dem Euro im Beobachtungszeitraum werden auch Daten beleuchtet, die für die Tragfähigkeit des aktuellen Wechselkurses relevant sind. Dazu wird die Entwicklung der realen effektiven Wechselkurse, der Leistungsbilanz, der Vermögensänderungsbilanz und der Kapitalbilanz herangezogen. Auch die längerfristige Entwicklung der Bruttoauslandsverschuldung und des Netto-Auslandsvermögensstatus wird untersucht. Ferner wird im Abschnitt zur Wechselkursentwicklung der Grad der Integration eines Landes in das Euro‑Währungsgebiet geprüft, wobei sowohl die Integration im Bereich des Außenhandels (Ausfuhren und Einfuhren) als auch die Finanzmarktintegration als Messgrößen dienen. Schließlich wird im Abschnitt zur Wechselkursentwicklung gegebenenfalls dargelegt, ob dem geprüften Land während des zweijährigen Referenzzeitraums Liquiditätshilfen von Zentralbanken oder Zahlungsbilanzunterstützung zugutekamen. Hierbei werden sowohl eine tatsächliche als auch eine vorsorgliche Unterstützung berücksichtigt.
Die rechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Entwicklung des langfristigen Zinssatzes und deren Anwendung durch die EZB sind in Kasten 4 dargelegt.
Kasten 4
Entwicklung des langfristigen Zinssatzes
1. Bestimmungen des AEUV
Artikel 140 Absatz 1 vierter Gedankenstrich AEUV fordert, dass im Rahmen des Konvergenzberichts geprüft wird, ob ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist. Maßstab hierfür ist, ob die einzelnen Mitgliedstaaten das folgende Kriterium erfüllen:
die „Dauerhaftigkeit der von dem Mitgliedstaat mit Ausnahmeregelung erreichten Konvergenz und seiner Teilnahme am Wechselkursmechanismus, die im Niveau der langfristigen Zinssätze zum Ausdruck kommt“.
Artikel 4 des Protokolls (Nr. 13) über die Konvergenzkriterien legt fest:
„Das in Artikel 140 Absatz 1 vierter Gedankenstrich des genannten Vertrags genannte Kriterium der Konvergenz der Zinssätze bedeutet, dass im Verlauf von einem Jahr vor der Prüfung in einem Mitgliedstaat der durchschnittliche langfristige Nominalzinssatz um nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem entsprechenden Satz in jenen – höchstens drei – Mitgliedstaaten liegt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben. Die Zinssätze werden anhand langfristiger Staatsschuldverschreibungen oder vergleichbarer Wertpapiere unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Definitionen in den einzelnen Mitgliedstaaten gemessen.“
2. Anwendung der Bestimmungen des AEUV
In diesem Bericht wendet die EZB die Bestimmungen des AEUV wie folgt an:
Erstens wurde zur Ermittlung des „durchschnittliche[n] langfristige[n] Nominalzinssatz[es]“, der „im Verlauf von einem Jahr vor der Prüfung“ beobachtet wurde, das arithmetische Mittel der letzten zwölf Monate herangezogen, für die HVPI-Werte vorlagen. Der für diesen Bericht maßgebliche Referenzzeitraum erstreckt sich von Juni 2023 bis Mai 2024 und entspricht damit dem Referenzzeitraum für das Preisstabilitätskriterium.
Zweitens wurde der Vorgabe „höchstens drei [...] Mitgliedstaaten [...], die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben“ Rechnung getragen, indem für den Referenzwert das ungewichtete arithmetische Mittel der langfristigen Zinssätze der drei Mitgliedstaaten verwendet wurde, die auch zur Berechnung des Referenzwerts für das Kriterium der Preisstabilität herangezogen wurden (siehe Kasten 1). Die langfristigen Zinssätze der drei Länder mit den niedrigsten Inflationsraten, die in der Berechnung des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium berücksichtigt wurden, betrugen im für diesen Bericht maßgeblichen Referenzzeitraum 2,6 % (Dänemark), 2,8 % (Niederlande) und 3,1 % (Belgien). Folglich liegt der durchschnittliche Zinssatz bei 2,8 % und der Referenzwert – nach Addition von 2 Prozentpunkten – bei 4,8 %.[13]
Wie bereits erwähnt, verweist der AEUV explizit auf die „Dauerhaftigkeit der Konvergenz“, die im Niveau der langfristigen Zinssätze zum Ausdruck kommt. Die Entwicklung im Referenzzeitraum von Juni 2023 bis Mai 2024 wird daher vor dem Hintergrund der Entwicklung der langfristigen Zinssätze in den letzten zehn Jahren (oder in dem Zeitraum, für den Daten vorliegen) und der Hauptbestimmungsfaktoren für die Zinsdifferenzen gegenüber dem durchschnittlichen langfristigen Zinssatz im Euro-Währungsgebiet betrachtet. Im Referenzzeitraum dürfte der durchschnittliche Langfristzins des Euroraums unter anderem hohe länderspezifische Risikoprämien in mehreren Euro-Ländern widergespiegelt haben. Daher dient auch die Rendite langfristiger Staatsanleihen des Euroraums mit AAA-Rating (d. h. die Langfristrendite der Zinsstrukturkurve des Euro-Währungsgebiets für Länder mit AAA-Rating) Vergleichszwecken. Als Hintergrundinformation zu dieser Analyse enthält der vorliegende Bericht auch Angaben zur Größe und Entwicklung des Finanzmarkts. Dabei werden drei verschiedene Indikatoren herangezogen (der Umlauf an von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften begebenen Schuldverschreibungen, die Aktienmarktkapitalisierung und die MFI-Kredite an den inländischen nichtfinanziellen Privatsektor), die zusammengenommen als Maß für die Größe der Finanzmärkte dienen.
In diesem Bericht müssen laut Artikel 140 Absatz 1 AEUV auch verschiedene sonstige einschlägige Faktoren berücksichtigt werden, die in Kasten 5 dargelegt sind. Diesbezüglich trat am 13. Dezember 2011 ein verbesserter wirtschaftspolitischer Steuerungsrahmen gemäß Artikel 121 Absatz 6 AEUV in Kraft, durch den eine engere Koordinierung der Wirtschaftspolitik und eine dauerhafte Konvergenz der Wirtschaftsleistungen der EU-Mitgliedstaaten gewährleistet werden sollen. In Kasten 5 werden diese Rechtsvorschriften im Überblick dargestellt, und es wird erläutert, inwieweit die oben genannten zusätzlichen Faktoren im Rahmen der Konvergenzprüfung der EZB Berücksichtigung finden.
Kasten 5
Sonstige einschlägige Faktoren
1. Bestimmungen des AEUV und anderer Rechtsgrundlagen
In Artikel 140 Absatz 1 AEUV heißt es: „Die Berichte der Kommission und der Europäischen Zentralbank berücksichtigen auch die Ergebnisse bei der Integration der Märkte, den Stand und die Entwicklung der Leistungsbilanzen, die Entwicklung bei den Lohnstückkosten und andere Preisindizes.“
In diesem Sinne trägt die EZB auch dem am 13. Dezember 2011 in Kraft getretenen Gesetzespaket zur wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU Rechnung. Gestützt auf Artikel 121 Absatz 6 AEUV haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Einzelheiten des Verfahrens der multilateralen Überwachung gemäß Artikel 121 Absatz 3 und Absatz 4 AEUV festgelegt. Die entsprechenden Regelungen wurden eingeführt, um „eine engere Koordinierung der Wirtschaftspolitik und eine dauerhafte Konvergenz der Wirtschaftsleistungen der Mitgliedstaaten zu gewährleisten“ (Artikel 121 Absatz 3 AEUV), aber auch um der „Notwendigkeit [nachzukommen], Lehren aus dem ersten Jahrzehnt des Funktionierens der Wirtschafts- und Währungsunion zu ziehen und insbesondere die wirtschaftspolitische Steuerung in der Union zu verbessern und stärker auf nationaler Eigenverantwortung aufzubauen“[14]. Die Rechtsvorschriften umfassen auch einen verbesserten Überwachungsrahmen (das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht), der darauf abzielt, übermäßige makroökonomische und makrofinanzielle Ungleichgewichte zu vermeiden, indem er EU-Mitgliedstaaten, die diesbezüglich Abweichungen aufweisen, bei der Aufstellung von Korrekturplänen unterstützt, bevor sich die Abweichungen verfestigen.
2. Anwendung der Bestimmungen des AEUV
Im Einklang mit der bisherigen Vorgehensweise werden die in Artikel 140 Absatz 1 AEUV genannten zusätzlichen Faktoren in Kapitel 5 der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts unter der Überschrift der in den Kästen 1 bis 4 beschriebenen Einzelkriterien untersucht. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass in Kapitel 3 die Scoreboard-Indikatoren (einschließlich der jeweiligen Warnschwellenwerte) für die in diesem Bericht untersuchten Länder aufgeführt sind. Damit wird sichergestellt, dass alle Informationen verfügbar sind, die für eine Erkennung makroökonomischer und makrofinanzieller Ungleichgewichte, welche das in Artikel 140 Absatz 1 AEUV geforderte Erreichen eines hohen Grades an dauerhafter Konvergenz behindern können, von Belang sind. Insbesondere bei EU-Mitgliedstaaten mit einer Ausnahmeregelung, die einem Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht unterliegen, ist kaum davon auszugehen, dass sie im Einklang mit Artikel 140 Absatz 1 AEUV einen hohen Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht haben.
2.2 Vereinbarkeit der innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit den Verträgen
2.2.1 Einleitung
Artikel 140 Absatz 1 AEUV sieht vor, dass die EZB und die Europäische Kommission mindestens einmal alle zwei Jahre bzw. auf Antrag eines Mitgliedstaats, für den eine Ausnahmeregelung gilt, dem Rat der EU berichten, inwieweit die Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, bei der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion ihren Verpflichtungen bereits nachgekommen sind. Diese Berichte müssen eine Prüfung der Vereinbarkeit der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, einschließlich der Satzung der jeweiligen NZB, mit Artikel 130 und 131 AEUV sowie mit den entsprechenden Artikeln der ESZB-Satzung umfassen. Diese den Mitgliedstaaten mit einer Ausnahmeregelung obliegende Verpflichtung nach dem AEUV wird auch als Verpflichtung zur „rechtlichen Konvergenz“ bezeichnet.
Bei der Prüfung der rechtlichen Konvergenz muss sich die EZB nicht auf eine formale Beurteilung des Wortlauts der innerstaatlichen Rechtsvorschriften beschränken, sondern kann auch prüfen, ob die Umsetzung der betreffenden Rechtsvorschriften dem Geist der Verträge und der ESZB-Satzung entspricht. Der EZB geben insbesondere Anzeichen dafür, dass auf die Beschlussorgane der NZB eines Mitgliedstaats Druck ausgeübt wird, Anlass zur Sorge, da dies dem Geist des AEUV im Hinblick auf die Zentralbankunabhängigkeit widerspräche.
Die EZB sieht auch die Notwendigkeit, dass die Beschlussorgane der NZBen reibungslos und kontinuierlich funktionieren. Diesbezüglich sind die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats insbesondere verpflichtet, dafür zu sorgen, dass eine rechtzeitige Ernennung eines Nachfolgers gewährleistet ist, wenn bei einer NZB die Position eines Mitglieds ihrer Beschlussorgane frei wird.[15]
Die EZB wird alle Entwicklungen genau beobachten, bevor sie zu dem endgültigen positiven Urteil gelangt, dass die innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats mit dem AEUV und der ESZB-Satzung vereinbar sind.
Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, und rechtliche Konvergenz
Bulgarien, die Tschechische Republik, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden, deren innerstaatliche Rechtsvorschriften im vorliegenden Bericht einer Prüfung unterzogen werden, sind ihrem Status nach Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, d. h., sie haben den Euro noch nicht eingeführt. Schweden wurde gemäß einer Entscheidung des Rates der EU vom Mai 1998 der Status eines Mitgliedstaats mit Ausnahmeregelung zuerkannt.[16] Die Ausnahmeregelung für die übrigen Mitgliedstaaten basiert auf Artikel 4[17] bzw. Artikel 5[18] der Akte über die Beitrittsbedingungen, denen zufolge jeder dieser Mitgliedstaaten ab dem Tag seines Beitritts als Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung im Sinne des Artikels 139 AEUV gilt, an der Wirtschafts- und Währungsunion teilnimmt.
Im vorliegenden Bericht bleibt Dänemark als Mitgliedstaat mit Sonderstatus, der den Euro noch nicht eingeführt hat, unberücksichtigt. Das den Verträgen beigefügte Protokoll (Nr. 16) über einige Bestimmungen betreffend Dänemark sieht vor, dass für Dänemark aufgrund der Notifikation der dänischen Regierung an den Rat der EU vom 3. November 1993 eine Ausnahmeregelung gilt und das Verfahren zur Aufhebung der Ausnahmeregelung erst dann eingeleitet wird, wenn Dänemark einen entsprechenden Antrag stellt. Die Verpflichtungen in Bezug auf die Zentralbankunabhängigkeit muss die Danmarks Nationalbank hingegen erfüllen, da Artikel 130 AEUV auf Dänemark Anwendung findet. Der Konvergenzbericht des EWI von 1998 kam zu dem Ergebnis, dass diese Anforderung erfüllt ist. Aufgrund des Sonderstatus Dänemarks ist seit 1998 keine Konvergenzprüfung mehr erfolgt. Für die rechtliche Integration der Danmarks Nationalbank in das Eurosystem müssen keine Vorkehrungen getroffen werden, und eine Anpassung der Rechtsvorschriften ist nicht erforderlich, solange Dänemark dem Rat der EU nicht notifiziert, dass es den Euro einzuführen beabsichtigt.
Mit der Beurteilung der rechtlichen Konvergenz soll der Rat der EU bei seinen Entscheidungen darüber, welche Mitgliedstaaten „bei der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion ihren Verpflichtungen“ bereits nachgekommen sind, unterstützt werden (Artikel 140 Absatz 1 AEUV). Diese Voraussetzungen beziehen sich im rechtlichen Bereich vor allem auf die Zentralbankunabhängigkeit und die rechtliche Integration der jeweiligen NZB in das Eurosystem.
Aufbau der rechtlichen Beurteilung
Die rechtliche Beurteilung baut weitgehend auf dem Ansatz der bisherigen Berichte der EZB und des EWI zur rechtlichen Konvergenz auf.[19]
Bei der Prüfung der Vereinbarkeit innerstaatlicher Rechtsvorschriften werden Rechtsvorschriften berücksichtigt, die vor dem 27. März 2024 verabschiedet wurden.
2.2.2 Umfang der Anpassung
Bereiche mit Anpassungsbedarf
Um festzustellen, in welchen Bereichen bei den innerstaatlichen Rechtsvorschriften Anpassungsbedarf besteht, werden folgende Kriterien geprüft:
- die Vereinbarkeit mit den Bestimmungen des AEUV (Artikel 130) und der ESZB‑Satzung (Artikel 7 und 14.2) über die Unabhängigkeit der NZBen, der Mitglieder ihrer Beschlussorgane und ihrer Präsidenten,
- die Vereinbarkeit mit den Bestimmungen über die Geheimhaltung (Artikel 37 der ESZB-Satzung),
- die Vereinbarkeit mit dem Verbot der monetären Finanzierung (Artikel 123 AEUV) und des bevorrechtigten Zugangs (Artikel 124 AEUV),
- die Vereinbarkeit mit der im EU-Recht geforderten einheitlichen Schreibweise des Euro und
- die rechtliche Integration der NZBen in das Eurosystem (insbesondere im Hinblick auf Artikel 12.1 und 14.3 der ESZB-Satzung).
„Vereinbarkeit“ kontra „Harmonisierung“
Nach Artikel 131 AEUV müssen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit den Verträgen und der ESZB-Satzung „im Einklang stehen“; Unvereinbarkeiten sind daher zu beseitigen. Diese Verpflichtung gilt unbeschadet der Tatsache, dass die Verträge und die ESZB-Satzung Vorrang vor den innerstaatlichen Rechtsvorschriften haben, und auch unabhängig von der Art der Unvereinbarkeit.
Das Erfordernis, wonach innerstaatliche Rechtsvorschriften „im Einklang stehen“ müssen, bedeutet nicht, dass der AEUV eine „Harmonisierung“ der Satzungen der einzelnen NZBen untereinander oder mit der ESZB-Satzung verlangt. Nationale Besonderheiten können beibehalten werden, soweit sie nicht die unwiderruflich der EU übertragene Zuständigkeit in geld- und währungspolitischen Angelegenheiten beeinträchtigen. Gemäß Artikel 14.4 der ESZB-Satzung können die NZBen durchaus auch andere als die in der Satzung bezeichneten Aufgaben wahrnehmen, sofern sie den Zielen und Aufgaben des ESZB nicht zuwiderlaufen.[20] Bestimmungen, welche die Wahrnehmung derartiger zusätzlicher Aufgaben ermöglichen, sind ein eindeutiges Beispiel dafür, dass die Satzungen der NZBen auch in Zukunft voneinander abweichen können. Der Ausdruck „im Einklang stehen“ ist vielmehr so zu verstehen, dass die innerstaatlichen Rechtsvorschriften und die Satzungen der NZBen angepasst werden müssen, um Unvereinbarkeiten mit den Verträgen und der ESZB-Satzung zu beseitigen und ein hinreichendes Maß an Integration der NZBen in das ESZB sicherzustellen. So müssen insbesondere alle Bestimmungen, welche die im AEUV definierte Unabhängigkeit einer NZB sowie ihre Rolle als integraler Bestandteil des ESZB beeinträchtigen, angepasst werden. Allein mit dem Vorrang des EU-Rechts gegenüber innerstaatlichen Rechtsvorschriften ist dieser Verpflichtung nicht Genüge getan.
Die Verpflichtung nach Artikel 131 AEUV beschränkt sich auf die Unvereinbarkeit mit den Verträgen und der ESZB-Satzung. Gleichwohl müssen innerstaatliche Rechtsvorschriften, die mit dem für die hier untersuchten Bereiche mit Anpassungsbedarf relevanten Sekundärrecht der EU nicht vereinbar sind, mit diesem in Einklang gebracht werden. Der Vorrang des EU-Rechts entbindet die Mitgliedstaaten nicht von der Verpflichtung, ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften anzupassen. Dieses allgemeine Erfordernis ergibt sich nicht nur aus Artikel 131 AEUV, sondern auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union.[21]
Die Verträge und die ESZB-Satzung schreiben nicht vor, auf welche Weise die Anpassung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu erfolgen hat. Die „Vereinbarkeit“ kann daher entweder durch Aufhebung der nicht mit den Verträgen und der ESZB-Satzung in Einklang stehenden Bestimmungen oder durch Verweise auf die Verträge und die ESZB-Satzung oder – in Ausnahmefällen – durch die Übernahme von Bestimmungen der Verträge und der ESZB-Satzung mit Angabe ihrer Herkunft erreicht werden. Letzteres unterliegt den folgenden Voraussetzungen:
Eine Übernahme des Wortlauts einschlägiger Bestimmungen des Unionsrechts, die in der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats unmittelbar gelten, ist grundsätzlich zu vermeiden.[22] Eine solche Übernahme kann sowohl hinsichtlich der Rechtsnatur und Herkunft der geltenden Bestimmungen als auch hinsichtlich des Zeitpunkts ihres Inkrafttretens zu Unklarheiten führen. Dies stünde nicht im Einklang mit dem Grundsatz der einheitlichen Anwendung und Auslegung des Unionsrechts innerhalb der Europäischen Union.[23] Zudem kommt einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift ein eigener Regelungsgehalt zu, wenn darin ein anderer Wortlaut gewählt wird als in der entsprechenden Bestimmung des Unionsrechts. Gemäß Artikel 2 Absatz 1 AEUV schließt es die ausschließliche Zuständigkeit der Union in geld- und währungspolitischen Angelegenheiten aus, dass die Mitgliedstaaten Bestimmungen erlassen, die in Anbetracht ihres Ziels und Gegenstands Rechtsnormen für die Verwendung des Euro als gemeinsame Währung aufstellen, es sei denn, die Mitgliedstaaten wurden hierzu ermächtigt.[24] In diesem Zusammenhang ist das Konzept der Geldpolitik nicht auf deren operative Ausführung beschränkt, die nach Artikel 127 Absatz 2 erster Gedankenstrich AEUV zu den grundlegenden Aufgaben des Eurosystems gehört. Dieses Konzept hat auch eine regulative Dimension, die darauf abzielt, den Status des Euro als gemeinsame Währung zu gewährleisten.[25]
In Ausnahmefällen darf der Wortlaut einschlägiger Bestimmungen des Unionsrechts, die in der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats unmittelbar gelten, aus Gründen der Kohärenz und der Verständlichkeit für den Personenkreis, auf den sie anwendbar sind, übernommen werden. Soweit solche außergewöhnlichen Umstände eine Übernahme unmittelbar geltender Bestimmungen des Unionsrechts erlauben, sind die entsprechenden Bestimmungen präzise und ohne Änderung des Wortlauts wiederzugeben.[26] Zudem sollte dies nur in dem durch die außergewöhnlichen Umstände gebotenen Umfang erfolgen. Solche außergewöhnlichen Umstände liegen indes nicht vor, wenn die unmittelbar geltenden Bestimmungen des Unionsrechts hinreichend kohärent und umfassend sind, sodass es unnötig ist, sie in innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu wiederholen oder wiederzugeben.[27] Soweit unmittelbar geltende Bestimmungen des Unionsrechts für die durch innerstaatliches Recht abgedeckten Bereiche lediglich relevant sind, müssen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften nicht auf diese Bestimmungen verweisen. Soweit unmittelbar geltende Bestimmungen des Unionsrechts aus den oben genannten Gründen notwendigerweise in innerstaatliches Recht übernommen werden, sollte ausdrücklich darauf hingewiesen und klargestellt werden, dass die innerstaatlichen Rechtsvorschriften den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts „entsprechen“ oder mit diesen „im Einklang stehen“, wenn damit lediglich das innerstaatliche Recht in einen größeren Zusammenhang gestellt werden soll, oder den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts „nicht entgegenstehen“, wenn eine nationale Behörde Residualkompetenzen ausübt, die über die im Rahmen des ESZB und des Eurosystems ausgeübten Zuständigkeiten hinausgehen.[28]
Darüber hinaus muss die EZB, um die Vereinbarkeit innerstaatlicher Rechtsvorschriften mit den Verträgen und der ESZB-Satzung zu erreichen und zu gewährleisten, von den Organen der EU sowie von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 127 Absatz 4 und Artikel 282 Absatz 5 AEUV sowie Artikel 4 der ESZB-Satzung zu allen Entwürfen für Rechtsvorschriften im Zuständigkeitsbereich der EZB gehört werden. Die Entscheidung 98/415/EG des Rates vom 29. Juni 1998 über die Anhörung der Europäischen Zentralbank durch die nationalen Behörden zu Entwürfen für Rechtsvorschriften[29] fordert die Mitgliedstaaten ausdrücklich dazu auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Beachtung dieser Verpflichtung zu gewährleisten.
2.2.3 Die Unabhängigkeit der NZBen
Was die Unabhängigkeit der Zentralbanken betrifft, so waren die innerstaatlichen Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten, die der EU im Jahr 2004, 2007 bzw. 2013 beitraten, an die entsprechenden Bestimmungen des AEUV und der ESZB-Satzung anzupassen und zum 1. Mai 2004, zum 1. Januar 2007 bzw. zum 1. Juli 2013 in Kraft zu setzen.[30] Schweden hingegen musste die erforderlichen Anpassungen bis zum Zeitpunkt der Errichtung des ESZB am 1. Juni 1998 in Kraft setzen.
Zentralbankunabhängigkeit
Im November 1995 erstellte das EWI eine Liste mit verschiedenen Aspekten der Zentralbankunabhängigkeit (eine ausführliche Erörterung ist dem Konvergenzbericht des EWI von 1998 zu entnehmen). Diese Definition bildete damals die Grundlage für die Beurteilung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, insbesondere der Satzungen der NZBen. Der Begriff der Zentralbankunabhängigkeit umfasst verschiedene Arten von Unabhängigkeit, die jeweils für sich geprüft werden müssen, nämlich die funktionelle, die institutionelle, die persönliche und die finanzielle Unabhängigkeit. In den vergangenen Jahren wurde die Analyse dieser Aspekte der Zentralbankunabhängigkeit in den Stellungnahmen der EZB weiter verfeinert. Sie bilden die Grundlage für die Beurteilung des Grades an Konvergenz der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, mit den Verträgen und der ESZB-Satzung.
Funktionelle Unabhängigkeit
Zentralbankunabhängigkeit ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zur Erreichung eines Ziels, das klar definiert sein und Vorrang vor allen anderen Zielen haben sollte. Funktionelle Unabhängigkeit erfordert, dass das vorrangige Ziel jeder NZB eindeutig und rechtssicher festgelegt ist und mit dem im AEUV verankerten vorrangigen Ziel der Preisstabilität vollständig im Einklang steht. Die Verfolgung dieses Ziels setzt voraus, dass die NZBen mit den erforderlichen Mitteln und Instrumenten ausgestattet sind, um das Ziel unabhängig von anderen Stellen zu erreichen. Die sich aus dem AEUV ergebende Anforderung der Unabhängigkeit der Zentralbank spiegelt die allgemeine Auffassung wider, dass dem vorrangigen Ziel der Preisstabilität am besten mit einer vollkommen unabhängigen Institution gedient ist, deren Aufgaben genau festgelegt sind. Zentralbankunabhängigkeit ist vollständig vereinbar mit der Rechenschaftspflicht der NZBen, die wesentlich zur Stärkung des Vertrauens in ihre Unabhängigkeit beiträgt. Dies erfordert Transparenz und den Dialog mit Dritten.
Was den Zeitpunkt betrifft, so ist im AEUV nicht eindeutig geregelt, wann die NZBen der Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, das in Artikel 127 Absatz 1 und Artikel 282 Absatz 2 AEUV sowie in Artikel 2 der ESZB-Satzung verankerte vorrangige Ziel der Preisstabilität erfüllt haben müssen. Bei den Mitgliedstaaten, die der EU nach der Einführung des Euro in der EU beitraten, ist unklar, ob diese Verpflichtung ab dem Zeitpunkt des Beitritts oder ab dem jeweiligen Zeitpunkt der Einführung des Euro gelten soll. Während Artikel 127 Absatz 1 AEUV auf Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, keine Anwendung findet (siehe Artikel 139 Absatz 2 Buchstabe c AEUV), ist Artikel 2 der ESZB-Satzung auf solche Mitgliedstaaten anwendbar (siehe Artikel 42.1 der ESZB-Satzung). Die EZB vertritt die Auffassung, dass die Verpflichtung der NZBen, Preisstabilität als ihr vorrangiges Ziel zu verankern, im Fall Schwedens ab dem 1. Juni 1998 und bei den Mitgliedstaaten, die der EU am 1. Mai 2004, am 1. Januar 2007 bzw. am 1. Juli 2013 beitraten, ab dem jeweiligen Zeitpunkt des Beitritts wirksam ist. Diese Auffassung gründet sich auf die Tatsache, dass einer der richtungweisenden Grundsätze der EU, nämlich stabile Preise (Artikel 119 AEUV), auch auf Mitgliedstaaten mit einer Ausnahmeregelung anzuwenden ist. Sie beruht ferner auf der Zielvorgabe des AEUV, wonach alle Mitgliedstaaten gesamtwirtschaftliche Konvergenz einschließlich Preisstabilität anstreben sollen; die diesbezüglichen Fortschritte werden in den regelmäßigen Berichten der EZB und der Europäischen Kommission beurteilt. Diese Schlussfolgerung stützt sich zudem auf Sinn und Zweck der Zentralbankunabhängigkeit, die nur dann gerechtfertigt ist, wenn Preisstabilität als übergreifendes Ziel Vorrang hat.
Diese Schlussfolgerungen hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem die NZBen der Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, Preisstabilität als ihr vorrangiges Ziel verankert haben müssen, bilden die Grundlage der Länderbeurteilungen im vorliegenden Bericht.
Institutionelle Unabhängigkeit
Die institutionelle Unabhängigkeit ist in Artikel 130 AEUV und Artikel 7 der ESZB-Satzung verankert. Nach diesen beiden Artikeln ist es den NZBen und den Mitgliedern ihrer Beschlussorgane untersagt, Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Union, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einzuholen oder entgegenzunehmen. Außerdem dürfen die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten nicht versuchen, die Mitglieder der Beschlussorgane der NZBen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen des ESZB zu beeinflussen. Wenn innerstaatliche Rechtsvorschriften im Sinne von Artikel 130 AEUV und Artikel 7 der ESZB-Satzung bestehen, sollten sie diese beiden Verbote enthalten und deren Anwendungsbereich nicht einengen.[31] Die Zuerkennung einer solchen Unabhängigkeit hat nicht zur Folge, dass eine Zentralbank von jeder Bestimmung des Rechts ausgenommen und Rechtsvorschriften jeglicher Art entzogen wäre.[32]
Unabhängig davon, ob es sich bei einer NZB ihrer Rechtsform nach um eine Einrichtung im Staatsbesitz, eine eigenständige juristische Person des öffentlichen Rechts oder einfach eine Aktiengesellschaft handelt, besteht das Risiko, dass seitens des Eigentümers Einfluss auf die Entscheidungsfindung hinsichtlich der Aufgaben im Rahmen des ESZB genommen wird.[33] Eine solche Einflussnahme − ob durch Ausübung von Anteilseignerrechten oder in anderer Form − kann die Unabhängigkeit einer NZB beeinträchtigen und ist daher gesetzlich einzuschränken.
Der rechtliche Rahmen für die Zentralbanken muss eine stabile und langfristige Grundlage für deren Arbeitsweise bieten. Häufige Änderungen des institutionellen Aufbaus einer NZB, die die Stabilität der Organisation und Leitungsstruktur dieser NZB beeinflussen, könnten die institutionelle Unabhängigkeit der NZB beeinträchtigen.[34]
Die institutionelle Unabhängigkeit muss auch in Notfällen gewahrt bleiben. Nur wenn die Voraussetzungen nach Artikel 347 AEUV erfüllt sind, kann für nationale Stellen die Berechtigung bestehen, vorübergehend und ausnahmsweise Befugnisse auszuüben, die in die ausschließliche Zuständigkeit des ESZB fallen. Maßgeblich für die Prüfung der Berechtigung ist der Zeitpunkt, zu dem die Maßnahme erlassen wird. Aufgrund des Ausnahmecharakters von Artikel 347 AEUV sollten die Mitgliedstaaten von der Verabschiedung präventiver Rechtsvorschriften absehen, solange die in Artikel 347 AEUV vorgegebenen Voraussetzungen nicht vorliegen.[35]
Verbot der Erteilung von Weisungen
Rechte Dritter, den NZBen, ihren Beschlussorganen oder deren Mitgliedern Weisungen zu erteilen, sind mit dem AEUV und der ESZB-Satzung unvereinbar, soweit Aufgaben im Rahmen des ESZB berührt sind.
Jedwede Beteiligung einer NZB an der Anwendung von Maßnahmen zur Stärkung der Stabilität des Finanzsystems muss mit dem AEUV vereinbar sein, d. h., die NZBen müssen ihre Funktionen in einer Weise erfüllen, die mit ihrer funktionellen, institutionellen und finanziellen Unabhängigkeit vollständig vereinbar ist, um eine ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß dem AEUV und der ESZB‑Satzung zu gewährleisten.[36] Soweit die innerstaatlichen Rechtsvorschriften einer NZB eine Rolle zuweisen, die über Beratungsfunktionen hinausgeht, und die Übernahme zusätzlicher Aufgaben durch die NZB vorsehen, muss gewährleistet sein, dass dadurch die Fähigkeit der NZB, ihre Aufgaben im Rahmen des ESZB zu erfüllen, in operationeller und finanzieller Hinsicht nicht beeinträchtigt wird.[37] Außerdem ist im Fall der Einbeziehung von Vertretern der NZBen in kollegiale Beschlussorgane von Aufsichtsbehörden oder sonstigen Einrichtungen zu gewährleisten, dass in angemessener Form Maßnahmen zum Schutz der persönlichen Unabhängigkeit der Mitglieder der NZB-Beschlussorgane berücksichtigt werden.[38]
Verbot der Genehmigung, Aussetzung, Aufhebung oder des Aufschubs von Entscheidungen
Rechte Dritter, die Entscheidungen einer NZB zu genehmigen, auszusetzen, aufzuheben oder aufzuschieben, sind mit dem AEUV und der ESZB-Satzung unvereinbar, soweit Aufgaben im Rahmen des ESZB berührt sind.[39]
Verbot der Zensur von Entscheidungen aus rechtlichen Gründen
Das Recht Dritter (mit Ausnahme unabhängiger Gerichte), Entscheidungen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB aus rechtlichen Gründen zu zensieren, ist mit dem AEUV und der ESZB-Satzung unvereinbar, da die Erfüllung dieser Aufgaben auf politischer Ebene nicht erneut beurteilt werden darf. Das Recht eines NZB-Präsidenten, eine Entscheidung von Beschlussorganen des ESZB oder einer NZB aus rechtlichen Gründen auszusetzen und in der Folge den politischen Instanzen zur endgültigen Entscheidung vorzulegen, würde dem Einholen von Weisungen Dritter gleichkommen.
Verbot, in Beschlussorganen einer NZB mit Stimmrecht vertreten zu sein
Mit dem AEUV und der ESZB-Satzung ist es nicht vereinbar, wenn in den Beschlussorganen einer NZB Vertreter von Dritten mit Stimmrecht in Angelegenheiten vertreten sind, die die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB betreffen, selbst wenn diese Stimme nicht den Ausschlag gibt.[40] Selbst ohne Stimmrecht ist eine solche Vertretung mit dem AEUV und der ESZB-Satzung nicht vereinbar, wenn dadurch die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB durch diese Beschlussorgane beeinträchtigt oder die Einhaltung der Geheimhaltungsbestimmungen des ESZB gefährdet werden.[41]
Verbot der Anhörung Dritter vor der Entscheidung einer NZB
Eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung einer NZB, vor ihrer Entscheidung Dritte anzuhören, verschafft diesen einen formellen Mechanismus zur Einflussnahme auf die endgültige Entscheidung und ist somit mit dem AEUV und der ESZB-Satzung unvereinbar.
Allerdings ist ein Dialog zwischen einer NZB und Dritten mit der Zentralbankunabhängigkeit vereinbar, selbst wenn dieser Dialog auf einer in der NZB-Satzung verankerten Auskunftspflicht sowie einer Verpflichtung zum Meinungsaustausch beruht, sofern
- dies nicht die Unabhängigkeit der Mitglieder der NZB-Beschlussorgane beeinträchtigt,
- der besondere Status der NZB-Präsidenten in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Beschlussorgane der EZB voll respektiert wird und
- die Anforderungen an die Geheimhaltung, die sich aus der ESZB-Satzung ergeben, beachtet werden.[42]
Entlastung der Mitglieder der NZB-Beschlussorgane
Rechtsvorschriften über die Entlastung der Mitglieder der Beschlussorgane einer NZB (etwa in Bezug auf die Rechnungslegung) durch Dritte (z. B. die Regierung) müssen ausreichende Schutzbestimmungen enthalten, die gewährleisten, dass die Mitglieder der NZB-Beschlussorgane dennoch unabhängig Beschlüsse hinsichtlich der Aufgaben im Rahmen des ESZB fassen (oder auf der Ebene des ESZB gefasste Beschlüsse umsetzen) können. Die Aufnahme einer entsprechenden ausdrücklichen Bestimmung in die Satzungen der NZBen wird empfohlen.
Persönliche Unabhängigkeit
Die Unabhängigkeit der Zentralbanken wird durch Artikel 130 AEUV sowie Artikel 7 und 14.2 der ESZB-Satzung auch in Bezug auf die Präsidenten und die anderen Mitglieder der Beschlussorgane der NZBen geschützt. Die Präsidenten der NZBen sind Mitglieder des Erweiterten Rates der EZB und werden nach Einführung des Euro in ihrem Mitgliedstaat Mitglieder des EZB-Rats. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Mitglied des EZB-Rats oder des Erweiterten Rates der EZB können die Präsidenten der NZBen nicht als Vertreter eines Mitgliedstaats angesehen werden.[43] Nach Artikel 14.2 der ESZB-Satzung ist in den Satzungen der NZBen insbesondere vorzusehen, dass die Amtszeit der Präsidenten mindestens fünf Jahre beträgt. Durch die Bestimmung, dass der Präsident einer NZB nur aus seinem Amt entlassen werden kann, wenn er die Voraussetzungen für die Ausübung seines Amtes nicht mehr erfüllt oder wegen einer schweren Verfehlung für schuldig befunden wurde, ist der Präsident ferner gegen eine willkürliche Entlassung geschützt. In solchen Fällen sieht Artikel 14.2 der ESZB-Satzung die Möglichkeit der Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union vor, der die Befugnis hat, eine nationale Entscheidung über die Entlassung eines Präsidenten aus seinem Amt für nichtig zu erklären.[44] Die Suspendierung eines Präsidenten kann faktisch einer Entlassung im Sinne von Artikel 14.2 der ESZB-Satzung gleichkommen.[45] Die Satzungen der NZBen müssen dieser Bestimmung entsprechend den nachfolgend aufgeführten Punkten gerecht werden.
Gemäß Artikel 130 AEUV ist es den nationalen Regierungen und anderen Stellen untersagt, die Mitglieder der Beschlussorgane der NZBen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen. Insbesondere dürfen die Mitgliedstaaten nicht versuchen, Einfluss auf die Mitglieder der NZB-Beschlussorgane zu nehmen, indem sie deren Vergütung betreffende innerstaatliche Rechtsvorschriften ändern; dies sollte grundsätzlich nur für künftige Ernennungen möglich sein.[46]
Mindestamtszeit für Präsidenten
Nach Artikel 14.2 der ESZB-Satzung ist in den Satzungen der NZBen eine Mindestamtszeit von fünf Jahren für den Präsidenten zu verankern, wobei dies eine längere Amtszeit nicht ausschließt. Sieht eine Satzung eine unbefristete Amtszeit vor, besteht kein Anpassungsbedarf, sofern die Gründe für die Entlassung eines Präsidenten mit jenen in Artikel 14.2 der ESZB-Satzung übereinstimmen. Kürzere Amtszeiten sind nicht zu rechtfertigen, selbst wenn sie nur während eines Übergangszeitraums Anwendung finden.[47] Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die ein verbindliches Pensionsalter vorsehen, sollten sicherstellen, dass diese Altersgrenze die nach Artikel 14.2 der ESZB-Satzung vorgesehene Mindestamtszeit, die Vorrang vor einem verbindlichen Pensionsalter hat, nicht unterbricht, sofern dieses auf einen Präsidenten Anwendung findet.[48] Wird die Satzung einer NZB geändert, muss das Änderungsgesetz die Sicherheit der Amtszeit des Präsidenten und der übrigen Mitglieder der Beschlussorgane, die in die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB eingebunden sind, gewährleisten.[49]
Gründe für die Entlassung eines Präsidenten aus dem Amt
Die Satzungen der NZBen müssen sicherstellen, dass ein Präsident nur aus einem der in Artikel 14.2 der ESZB-Satzung festgelegten Gründe entlassen werden kann. Mit den Vorgaben dieses Artikels soll eine willkürliche Entlassung eines Präsidenten durch jene Instanzen – insbesondere Regierung oder Parlament –, die für seine Ernennung zuständig waren, verhindert werden. Die Satzungen der NZBen sollten etwaige Unvereinbarkeiten mit den in Artikel 14.2 der ESZB-Satzung festgelegten Entlassungsgründen beseitigen oder gar keine Entlassungsgründe anführen (da Artikel 14.2 unmittelbar gilt).[50] Nach seiner Wahl bzw. Ernennung darf ein Präsident nur aus einem der in Artikel 14.2 der ESZB-Satzung festgelegten Gründe entlassen werden, auch wenn er sein Amt noch nicht angetreten hat. Da es sich bei den Voraussetzungen, unter denen ein Präsident aus dem Amt entlassen werden kann, um autonome Konzepte des Unionsrechts handelt, hängt deren Anwendung und Auslegung nicht vom jeweiligen nationalen Kontext ab.[51] Letztlich obliegt die Auslegung dieser Konzepte dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß den ihm durch Artikel 14.2 Absatz 2 der ESZB-Satzung übertragenen Befugnissen.[52]
Sicherheit der Amtszeit und Gründe für die Entlassung von Mitgliedern der NZB-Beschlussorgane, die neben dem Präsidenten Aufgaben im Rahmen des ESZB wahrnehmen
Werden die Regeln, mit denen die Amtszeit der Präsidenten garantiert wird, und die Gründe für die Entlassung eines Präsidenten aus dem Amt auch auf die übrigen Mitglieder der Beschlussorgane der NZBen angewandt, die in die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB eingebunden sind, so schützt dies auch die persönliche Unabhängigkeit dieser Mitglieder.[53] Artikel 130 AEUV und Artikel 7 der ESZB-Satzung beziehen sich generell auf die „Mitglieder der Beschlussorgane“ der NZBen und nicht speziell auf die Präsidenten. Dies betrifft vor allem jene Fälle, in denen der Präsident „primus inter pares“ unter Kollegen mit gleichen Stimmrechten ist oder in denen diese übrigen Mitglieder in die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB eingebunden sind.
Recht auf gerichtliche Überprüfung
Die Präsidenten sowie die anderen Mitglieder der Beschlussorgane der NZBen müssen das Recht haben, die Entscheidung über ihre Entlassung vor ein unabhängiges Gericht zu bringen, um die Möglichkeit des politischen Ermessens bei der Beurteilung der Gründe für eine solche Entscheidung einzuschränken.
Nach Artikel 14.2 der ESZB-Satzung kann der Präsident einer NZB, der aus seinem Amt entlassen wurde, den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen. Der Gerichtshof der Europäischen Union ist befugt, die nationale Entlassungsmaßnahme für nichtig zu erklären, wenn diese seiner Auffassung nach gegen das Unionsrecht verstößt.
Auf der Grundlage von Artikel 130 AEUV und Artikel 7 der ESZB-Satzung sollte in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften das Recht verankert sein, eine Entscheidung über die Entlassung von Mitgliedern der Beschlussorgane der NZBen (mit Ausnahme der Präsidenten), die Aufgaben im Rahmen des ESZB wahrnehmen, durch die einzelstaatlichen Gerichte überprüfen zu lassen.[54] Dieses Recht kann entweder im allgemein geltenden Recht oder in einer entsprechenden Bestimmung verankert sein. Wenngleich sich dieses Recht möglicherweise aus dem allgemein geltenden Recht ableiten lässt, könnte aus Gründen der Rechtssicherheit eine ausdrückliche Regelung dieses Überprüfungsrechts ratsam sein.
Vorkehrungen gegen Interessenkonflikte
Zur Gewährleistung der persönlichen Unabhängigkeit der Mitglieder von NZB‑Beschlussorganen, die in die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB eingebunden sind, ist überdies sicherzustellen, dass es zu keinen Interessenkonflikten zwischen den Verpflichtungen dieser Mitglieder gegenüber ihrer jeweiligen NZB (im Fall der Präsidenten auch gegenüber der EZB) einerseits und etwaigen sonstigen Funktionen andererseits kommen kann, die sie zusätzlich ausüben und aufgrund deren ihre persönliche Unabhängigkeit beeinträchtigt werden könnte.[55] Grundsätzlich ist die Mitgliedschaft in Beschlussorganen, die Aufgaben im Rahmen des ESZB wahrnehmen, mit der Ausübung anderer Funktionen nicht vereinbar, wenn sich daraus ein Interessenkonflikt ergeben könnte. Insbesondere dürfen Mitglieder solcher Beschlussorgane keine Ämter ausüben und keine Interessen wahrnehmen – sei es in Ausübung eines Amtes in der Exekutive oder Legislative eines Staates bzw. von Ländern und Gemeinden oder im Rahmen eines Unternehmens –, die ihre Tätigkeit beeinflussen könnten. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass potenzielle Interessenkonflikte bei nicht hauptamtlichen Mitgliedern von Beschlussorganen vermieden werden.
Finanzielle Unabhängigkeit
Die Unabhängigkeit einer NZB würde insgesamt infrage gestellt, wenn die NZB sich nicht eigenständig ausreichende finanzielle Mittel zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben (d. h. zur Erfüllung der im AEUV und in der ESZB-Satzung vorgesehenen Aufgaben im Rahmen des ESZB) verschaffen könnte.[56]
Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass die jeweiligen NZBen jederzeit über ausreichende finanzielle Mittel und über ein angemessenes Nettoeigenkapital[57] verfügen, um ihre Aufgaben im Rahmen des ESZB bzw. des Eurosystems erfüllen zu können. Dies wäre beispielsweise nicht der Fall, wenn eine NZB daran gehindert würde, ausreichende finanzielle Mittel in Form von Reserven oder Puffern aufzubauen, um Verluste – insbesondere aus geldpolitischen Geschäften – auszugleichen, und der betreffende Mitgliedstaat nicht vorab sicherstellen würde, dass die NZB über die notwendigen Mittel verfügt, um die finanziellen Lasten aus der Ausübung einer Funktion außerhalb des ESZB zu tragen (etwa um Entschädigungen leisten zu können, die sich aus der Haftungsregelung für diese Funktion ergeben) und zugleich ihre Aufgaben im Rahmen des ESZB weiterhin wirksam und unabhängig wahrnehmen zu können.[58] Es sei darauf hingewiesen, dass die NZBen nach Artikel 28.1 und Artikel 30.4 der ESZB-Satzung aufgefordert werden können, weitere Beiträge zum Kapital der EZB zu leisten und weitere Währungsreserven einzuzahlen.[59] Darüber hinaus ist in Artikel 33.2 der ESZB-Satzung[60] vorgesehen, dass der EZB-Rat im Falle eines Verlustes seitens der EZB, der nicht vollständig aus dem allgemeinen Reservefonds gedeckt werden kann, beschließen kann, den restlichen Fehlbetrag aus den monetären Einkünften des betreffenden Geschäftsjahrs im Verhältnis und bis zur Höhe der an die NZBen zu verteilenden Beträge zu decken. Der Grundsatz der finanziellen Unabhängigkeit bedeutet, dass die Beachtung dieser Bestimmungen die NZBen bei der Wahrnehmung ihrer Funktionen nicht beeinträchtigen darf.
Aus all den vorgenannten Gründen bedeutet finanzielle Unabhängigkeit auch, dass eine NZB stets über ausreichend Eigenkapital verfügen muss. Insbesondere ist jegliche Situation zu vermeiden, die dazu führt, dass das Nettoeigenkapital einer NZB über einen längeren Zeitraum hinweg geringer als ihr Grundkapital oder gar negativ ist. Hierzu zählen auch Fälle, in denen Verluste, die Kapital und Rücklagen übersteigen, vorgetragen werden.[61] Dies kann negative Auswirkungen auf die Fähigkeit der NZB haben, ihre Aufgaben im Rahmen des ESZB wahrzunehmen. Darüber hinaus kann eine solche Situation die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik des Eurosystems beeinträchtigen. Sofern das Nettoeigenkapital einer NZB ihr Grundkapital unterschreitet oder sich gar ins Negative kehrt, muss daher der jeweilige Mitgliedstaat die NZB innerhalb eines vertretbaren Zeitraums mit einem angemessenen Kapitalbetrag mindestens bis zur Höhe des Grundkapitals ausstatten, um dem Grundsatz der finanziellen Unabhängigkeit zu entsprechen. Hinsichtlich der EZB wurde der Bedeutung dieser Frage bereits vom Rat der EU durch Verabschiedung der Verordnung (EG) Nr. 1009/2000 des Rates vom 8. Mai 2000 über Kapitalerhöhungen der Europäischen Zentralbank Rechnung getragen.[62] Aufgrund dieser Verordnung kann der EZB-Rat eine tatsächliche Kapitalerhöhung beschließen, um so die für die Geschäftstätigkeit der EZB erforderliche angemessene Eigenkapitalausstattung aufrechtzuerhalten.[63] Die NZBen müssen finanziell in der Lage sein, auf einen solchen Beschluss der EZB zu reagieren.
Die finanzielle Unabhängigkeit einer NZB sollte danach beurteilt werden, ob Dritte direkt oder indirekt nicht nur auf ihre Aufgaben im Rahmen des ESZB, sondern auch auf ihre Leistungsfähigkeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben in finanzieller Hinsicht im Sinne angemessener finanzieller Mittel Einfluss nehmen können. In dieser Hinsicht sind die unten aufgeführten Kriterien finanzieller Unabhängigkeit besonders bedeutsam.[64] Dabei handelt es sich um die Bereiche finanzieller Unabhängigkeit, in denen die NZBen am stärksten der Gefahr einer Einflussnahme von außen ausgesetzt sind.
Aufstellung des Haushalts
Die Befugnis eines Dritten, den Haushalt einer NZB aufzustellen oder zu beeinflussen, ist mit der finanziellen Unabhängigkeit unvereinbar, sofern das Gesetz nicht eine Schutzklausel vorsieht, die gewährleistet, dass eine solche Befugnis nicht die für die Wahrnehmung der Aufgaben der NZB im Rahmen des ESZB erforderlichen finanziellen Mittel berührt.[65]
Rechnungslegungsvorschriften
Die Aufstellung der Bilanzen hat entweder nach allgemeinen Rechnungslegungsvorschriften oder gemäß den von den Beschlussorganen der NZB festgelegten Bestimmungen zu erfolgen. Werden solche Bestimmungen stattdessen von Dritten festgelegt, müssen darin zumindest die Vorschläge der NZB‑Beschlussorgane berücksichtigt sein.
Die Feststellung des Jahresabschlusses muss durch die Beschlussorgane der NZB (mit Unterstützung unabhängiger Rechnungsprüfer) erfolgen. Der festgestellte Jahresabschluss kann einer nachträglichen Genehmigung durch Dritte (z. B. Regierung oder Parlament) unterliegen. Über die Gewinnermittlung müssen die Beschlussorgane der NZB unabhängig und sachgerecht entscheiden können.
Soweit die Geschäfte einer NZB der Kontrolle durch den Rechnungshof oder eine vergleichbare Stelle unterliegen, muss der Umfang dieser Kontrolle gesetzlich eindeutig festgelegt sein[66] und die Arbeit der unabhängigen externen Rechnungsprüfer der NZB unberührt lassen.[67] Des Weiteren muss im Einklang mit dem Grundsatz der institutionellen Unabhängigkeit dem Verbot der Weisungserteilung an eine NZB oder ihre Beschlussorgane Rechnung getragen und die Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen des ESZB uneingeschränkt gewährleistet werden.[68] Die Kontrolle durch den Rechnungshof oder eine vergleichbare Stelle hat auf nichtpolitischer, unabhängiger und rein sachlicher Grundlage zu erfolgen.[69]
Verteilung der Gewinne, Kapital der NZB und finanzielle Bestimmungen
Wie die Gewinne zu verteilen sind, kann in der Satzung einer NZB geregelt sein. Fehlen solche Vorschriften, sollten die Beschlussorgane der NZB auf sachlicher Grundlage darüber entscheiden. Keinesfalls sollte diese Entscheidung im Ermessen Dritter liegen, sofern nicht durch eine Schutzklausel ausdrücklich gewährleistet ist, dass die für die Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen des ESZB erforderlichen finanziellen Mittel davon unberührt bleiben.[70]
Gewinne dürfen dem Staatshaushalt erst zugeführt werden, nachdem etwaige akkumulierte Verluste aus den Vorjahren gedeckt und die für notwendig erachteten Rückstellungen gebildet worden sind, um den Realwert von Vermögen und Kapital der NZB zu sichern.[71] Zeitlich befristete oder kurzfristige gesetzgeberische Maßnahmen, die einer Weisung an die NZBen in Bezug auf die Verteilung ihrer Gewinne gleichkommen, sind nicht zulässig.[72] Ebenso würde eine Besteuerung unrealisierter Vermögenszuwächse einer NZB den Grundsatz der finanziellen Unabhängigkeit beeinträchtigen.[73]
Ein Mitgliedstaat darf einer NZB keine Kapitalherabsetzung ohne vorherige Zustimmung der jeweiligen Beschlussorgane der NZB auferlegen. Dies dient der Gewährleistung, dass der NZB als Mitglied des ESZB ausreichende finanzielle Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß Artikel 127 Absatz 2 AEUV und der ESZB-Satzung zur Verfügung stehen. Aus demselben Grund sollte jegliche Änderung der Bestimmungen zur Verteilung der Gewinne einer NZB nur in Zusammenarbeit mit der NZB eingebracht und beschlossen werden, da diese am besten in der Lage ist, die erforderliche Höhe der Kapitalrücklagen zu beurteilen.[74] Was die Bildung von Rückstellungen oder finanziellen Puffern betrifft, müssen die NZBen berechtigt sein, eigenständig Rückstellungen zu bilden, um den Realwert von Vermögen und Kapital zu sichern. Ferner dürfen die Mitgliedstaaten die NZBen nicht daran hindern, ihre Kapitalrücklagen so weit zu erhöhen, wie es für ein Mitglied des ESZB notwendig ist, um seine Aufgaben zu erfüllen.[75]
Finanzielle Haftung für Aufsichtsbehörden
In den meisten Mitgliedstaaten ist die Finanzaufsicht bei der NZB angesiedelt. Dagegen ist nichts einzuwenden, sofern die zuständigen Stellen der unabhängigen Entscheidungsgewalt der NZB unterliegen. Entscheidet die Finanzaufsicht nach den gesetzlichen Bestimmungen aber eigenständig, muss gewährleistet sein, dass ihre Entscheidungen die Finanzen der NZB als Ganzes nicht gefährden. In diesen Fällen sollten die innerstaatlichen Rechtsvorschriften der NZB ein Recht auf Letztkontrolle aller Entscheidungen der Aufsicht einräumen, die die Unabhängigkeit einer NZB und insbesondere ihre finanzielle Unabhängigkeit beeinträchtigen könnten.[76]
Eigenständigkeit in Personalangelegenheiten
Die Mitgliedstaaten dürfen die Fähigkeit einer NZB zur eigenständigen Einstellung und Weiterbeschäftigung qualifizierter Mitarbeiter, die zur Erfüllung der ihr durch den AEUV und die ESZB-Satzung übertragenen Aufgaben erforderlich sind, nicht beeinträchtigen.[77] Auch darf eine NZB nicht in eine Lage versetzt werden, in der sie nur begrenzte oder gar keine Kontrollmöglichkeiten im Hinblick auf ihre Beschäftigten hat oder die Regierung des betreffenden Mitgliedstaats ihre Personalpolitik beeinflussen kann.[78] Etwaige Änderungen gesetzlicher Bestimmungen zur Vergütung von Mitgliedern eines NZB-Beschlussorgans und von NZB-Beschäftigten sind in enger und wirksamer Zusammenarbeit mit der NZB zu beschließen.[79] Dabei ist der Sichtweise der NZB gebührend Rechnung zu tragen, um zu gewährleisten, dass diese ihre Aufgaben auch weiterhin unabhängig wahrnehmen kann.[80] Die Eigenständigkeit in Personalangelegenheiten erstreckt sich auch auf Fragen der Altersversorgung der Beschäftigten. Ferner dürfen Änderungen, die zu einer Verringerung der Vergütung der Beschäftigten einer NZB führen, nicht die Befugnisse dieser NZB zur Verwaltung ihrer eigenen finanziellen Mittel, einschließlich der aus einer Herabsetzung der Vergütung resultierenden Mittel, beeinträchtigen.[81]
Eigentumsrechte
Rechte Dritter, in Bezug auf das Eigentum einer NZB zu intervenieren oder dieser NZB Weisungen zu erteilen, sind mit dem Grundsatz der finanziellen Unabhängigkeit unvereinbar.
2.2.4 Vertraulichkeit
Die Verpflichtung des Personals sowie der Mitglieder der Leitungsgremien der EZB und der NZBen zur Geheimhaltung gemäß Artikel 37 der ESZB-Satzung kann zur Aufnahme ähnlicher Bestimmungen in die Satzungen der NZBen und die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten führen. Der Vorrang des Unionsrechts und der auf dieser Grundlage erlassenen Vorschriften bedeutet auch, dass innerstaatliche Rechtsvorschriften über den Zugang Dritter zu Dokumenten die einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts, einschließlich Artikel 37 der ESZB-Satzung, erfüllen müssen und die Geheimhaltungsbestimmungen des ESZB nicht verletzen dürfen.[82] Der Zugang des Rechnungshofs oder einer vergleichbaren Stelle zu vertraulichen Informationen und Dokumenten einer NZB muss auf das für die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben der informationsanfordernden Stelle Notwendige begrenzt sein und darf die Unabhängigkeit und die Geheimhaltungsbestimmungen des ESZB, denen die Mitglieder der Beschlussorgane sowie das Personal der NZBen unterliegen, nicht beeinträchtigen.[83] Die NZBen sollten gewährleisten, dass diese Stellen die offengelegten Informationen und Dokumente mit der gleichen Vertraulichkeit behandeln wie sie selbst.
2.2.5 Verbot der monetären Finanzierung und des bevorrechtigten Zugangs
Hinsichtlich des Verbots der monetären Finanzierung und des bevorrechtigten Zugangs waren die innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die der EU im Jahr 2004, 2007 bzw. 2013 beitraten, an die entsprechenden Bestimmungen des AEUV und der ESZB-Satzung anzupassen und zum 1. Mai 2004, zum 1. Januar 2007 bzw. zum 1. Juli 2013 in Kraft zu setzen. Schweden musste die erforderlichen Anpassungen bis zum 1. Januar 1995 in Kraft setzen.
Verbot der monetären Finanzierung
Gemäß Artikel 123 Absatz 1 AEUV sind Überziehungs- und andere Kreditfazilitäten bei der EZB oder den NZBen für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der EU, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten verboten.
Ebenso verboten ist der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die EZB oder die NZBen. Der AEUV sieht eine Ausnahme von diesem Verbot der monetären Finanzierung vor: Die Bestimmungen gelten nicht für Kreditinstitute in öffentlichem Eigentum. Diese müssen, was die Bereitstellung von Zentralbankgeld betrifft, wie private Kreditinstitute behandelt werden (Artikel 123 Absatz 2 AEUV). Der genaue Anwendungsbereich des Verbots der monetären Finanzierung wird in der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 des Rates vom 13. Dezember 1993 zur Festlegung der Begriffsbestimmungen für die Anwendung der in Artikel 104 und Artikel 104b Absatz 1 des Vertrags vorgesehenen Verbote[84] präzisiert, wonach das Verbot jegliche Finanzierung der Verpflichtungen des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten umfasst.
Das Verbot der monetären Finanzierung soll die Mitgliedstaaten dazu anhalten, eine gesunde Haushaltspolitik zu befolgen, indem vermieden wird, dass eine monetäre Finanzierung öffentlicher Defizite (oder ein bevorrechtigter Zugang der öffentlichen Hand zu den Finanzmärkten) zu einer übermäßigen Verschuldung oder überhöhten Defiziten der Mitgliedstaaten führt.[85] Daher muss das Verbot weit ausgelegt werden, um seine strikte Anwendung vorbehaltlich der wenigen in Artikel 123 Absatz 2 AEUV und in der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 genannten Ausnahmen zu gewährleisten. Auch wenn in Artikel 123 Absatz 1 AEUV speziell auf „Kreditfazilitäten“ Bezug genommen wird, die also die Verpflichtung zur Rückzahlung der Gelder beinhalten, gilt das Verbot somit a fortiori auch für andere Formen der Finanzierung, bei denen keine Rückzahlungspflicht besteht.
Die grundsätzliche Position der EZB im Hinblick auf die Vereinbarkeit innerstaatlicher Rechtsvorschriften mit dem Verbot der monetären Finanzierung leitet sich vor allem aus Anhörungen der EZB durch die Mitgliedstaaten zu Entwürfen für innerstaatliche Rechtsvorschriften gemäß Artikel 127 Absatz 4 und Artikel 282 Absatz 5 AEUV ab.[86]
Innerstaatliche Rechtsvorschriften zum Anwendungsbereich des Verbots der monetären Finanzierung
Innerstaatliche Rechtsvorschriften dürfen den Anwendungsbereich des Verbots der monetären Finanzierung nicht einengen und die nach EU-Recht vorgesehenen Ausnahmen nicht erweitern. So sind beispielsweise innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine Finanzierung von finanziellen Verpflichtungen eines Mitgliedstaats gegenüber internationalen Finanzinstitutionen oder Drittstaaten durch die NZB vorsehen, grundsätzlich mit dem Verbot der monetären Finanzierung unvereinbar. Als Ausnahme erlaubt Verordnung (EG) Nr. 3603/93 die Finanzierung von Verpflichtungen des öffentlichen Sektors gegenüber dem IWF durch die NZBen, sofern sie zu Forderungen an das Ausland führt, die alle Merkmale eines Reserveinstruments aufweisen.[87] Zu diesen maßgeblichen Merkmalen zählt, dass auf Verlangen auf die Forderungen zugegriffen werden kann, um einem aus der Zahlungsbilanz resultierenden Finanzierungsbedarf oder anderen verwandten Zwecken zu begegnen. Dies bedeutet, dass die Bonität und Liquidität der Forderungen gewährleistet sein müssen.[88]
Innerstaatliche Rechtsvorschriften zur Übertragung von Aufgaben auf die NZBen
Innerstaatliche Rechtsvorschriften, mit denen Aufgaben auf die NZBen übertragen werden, dürfen nicht zu einer Finanzierung der Verpflichtungen des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten führen. Gemäß Artikel 14.4 der ESZB-Satzung können die NZBen andere als die in dieser Satzung bezeichneten Aufgaben wahrnehmen, es sei denn, der EZB-Rat stellt fest, dass diese Aufgaben nicht mit den Zielen und Aufgaben des ESZB vereinbar sind. Überträgt ein Mitgliedstaat seiner NZB eine solche Aufgabe, so ist diese NZB für deren Wahrnehmung verantwortlich und haftbar. Bei der Festlegung der Verantwortung und Haftung einer NZB für diese Aufgabe müssen die Mitgliedstaaten gleichwohl ihren aus dem Unionsrecht und insbesondere aus Artikel 123 Absatz 1 AEUV erwachsenden Verpflichtungen nachkommen.[89]
In Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 des Rates wird der Begriff „andere Kreditfazilität“ im Sinne des Artikels 123 AEUV unter anderem als jede Finanzierung von Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten definiert. Dementsprechend darf die betreffende NZB keine Verpflichtungen gegenüber Dritten übernehmen, die potenziell dem öffentlichen Sektor obliegen könnten. Folglich darf die NZB keine bereits bestehenden Verbindlichkeiten anderer Behörden oder öffentlicher Einrichtungen gegenüber Dritten finanzieren, und die tatsächliche Finanzierung von Verbindlichkeiten gegenüber Dritten durch die betreffende NZB darf sich nicht als unmittelbare Folge der Maßnahmen oder wirtschaftspolitischen Entscheidungen anderer Behörden oder öffentlicher Einrichtungen ergeben.[90]
Vorabausschüttung von Zentralbankgewinnen
Innerstaatliche Rechtsvorschriften dürfen keine Verteilung nicht vollständig realisierter, ausgewiesener und geprüfter Zentralbankgewinne verlangen. Um dem Verbot der monetären Finanzierung Genüge zu tun, darf der dem Staatshaushalt gemäß den geltenden Regeln der Gewinnverteilung zugeführte Betrag nicht − auch nicht teilweise − aus den Kapitalreserven der NZB gezahlt werden. Die Gewinnverteilungsregeln müssen daher die Kapitalreserven der NZB unberührt lassen. Darüber hinaus sind Vermögenswerte von NZBen, die an den Staat übertragen werden, zum Marktwert zu verzinsen, und die Übertragung muss zur selben Zeit erfolgen wie die Verzinsung.[91]
Auch ein Eingriff in die Wahrnehmung sonstiger Aufgaben des Eurosystems, wie etwa die Verwaltung der Währungsreserven, mittels Besteuerung theoretischer und unrealisierter Vermögenszuwächse ist nicht gestattet, da dies eine Form der Gewährung von Zentralbankkrediten an öffentliche Stellen im Wege der Vorabausschüttung künftiger und ungewisser Gewinne darstellen würde.[92]
Übernahme der Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors
Innerstaatliche Rechtsvorschriften, denen zufolge eine NZB verpflichtet ist, die Verbindlichkeiten einer bislang unabhängigen öffentlichen Stelle im Zuge einer nationalen Neuordnung bestimmter Aufgaben und Pflichten (z. B. im Zusammenhang mit der Übertragung bestimmter, bislang vom Staat oder von unabhängigen Behörden oder öffentlichen Einrichtungen wahrgenommener aufsichtsrechtlicher Aufgaben an die NZB) zu übernehmen, ohne dass sie von sämtlichen finanziellen Verpflichtungen aus der vorherigen Tätigkeit dieser öffentlichen Einrichtung vollständig freigestellt wird, wären mit dem Verbot der monetären Finanzierung unvereinbar.[93]
Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine NZB für die Ausübung einer ihr nach innerstaatlichem Recht übertragenen Aufgabe haftbar machen, würden die Übernahme einer bereits bestehenden Verbindlichkeit gegenüber Dritten beinhalten und wären mit dem Verbot der monetären Finanzierung unvereinbar, wenn die geschädigten Dritten nicht für das Handeln der NZB, d. h. den Verstoß der NZB gegen die für sie in diesem Rahmen geltenden Vorschriften, entschädigt würden.[94] Bei Aufgaben, die hochkomplexe und dringende Maßnahmen etwa im Zusammenhang mit der Umstrukturierung oder Abwicklung von Banken erfordern, würden innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine NZB für die Ausübung solcher Aufgaben haftbar machen, zudem auf die tatsächliche Finanzierung der Verbindlichkeiten gegenüber Dritten hinauslaufen, wenn die Haftung der NZB nicht auf schwerwiegende Verstöße gegen die für sie in diesem Rahmen geltenden Vorschriften beschränkt wäre.[95]
Finanzielle Unterstützung für Kredit- und Finanzinstitute
Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die vorsehen, dass eine NZB zahlungsunfähigen Kredit- bzw. sonstigen Finanzinstituten finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, sind – auch wenn diese unabhängig und im alleinigen Ermessen gewährt werden – mit dem Verbot der monetären Finanzierung unvereinbar.
Gleiches gilt, wenn das Eurosystem ein Kreditinstitut finanziert, das zur Wiederherstellung der Solvenz über eine direkte Platzierung vom Staat begebener Schuldtitel rekapitalisiert worden ist, weil keine alternativen marktbasierten Finanzierungsquellen vorhanden sind (nachfolgend „Rekapitalisierungsanleihen“), und wenn diese Anleihen als Sicherheiten verwendet werden sollen. In solch einem Fall einer staatlichen Rekapitalisierung eines Kreditinstituts über die direkte Platzierung von Rekapitalisierungsanleihen gibt deren anschließende Nutzung als Sicherheiten in Liquiditätsgeschäften der Zentralbank Anlass zu Bedenken hinsichtlich des Verbots der monetären Finanzierung.[96] Eine Notfall-Liquiditätshilfe (Emergency Liquidity Assistance – ELA), die eine NZB einem solventen Kreditinstitut auf der Grundlage einer Sicherheit in Form einer staatlichen Garantie unabhängig und im alleinigen Ermessen gewährt, muss die folgenden Kriterien erfüllen: a) Es muss sichergestellt sein, dass der von der NZB gewährte Kredit so kurzfristig wie möglich ist, b) die Systemstabilität muss gefährdet sein, c) es darf keine Zweifel hinsichtlich der rechtlichen Gültigkeit und Durchsetzbarkeit der staatlichen Garantie gemäß den maßgeblichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften geben, und d) es darf keine Zweifel an der wirtschaftlichen Angemessenheit der staatlichen Garantie geben, die sowohl den Nennbetrag als auch die Zinsen des Kredits abdecken muss.[97]
Finanzielle Unterstützung für Abwicklungsfonds oder Finanzierungsmechanismen sowie Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungssysteme
Die Finanzierung eines Abwicklungsfonds oder Einlagensicherungsfonds, der als „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ im Sinne von Artikel 123 Absatz 1 AEUV gilt, durch eine NZB ist mit dem Verbot der monetären Finanzierung nicht vereinbar. Als „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ gilt jede Einrichtung, die sämtliche der folgenden Merkmale aufweist: a) Sie wurde zu dem besonderen Zweck gegründet, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, b) sie besitzt Rechtspersönlichkeit, und c) es besteht eine enge Abhängigkeit von den in Artikel 123 Absatz 1 AEUV genannten öffentlichen Stellen. Solch eine enge Abhängigkeit von diesen öffentlichen Stellen wird vermutet, wenn die Einrichtung überwiegend von ihnen finanziert wird oder hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht dieser öffentlichen Stellen untersteht oder ein Verwaltungs-, Leitungs- bzw. Aufsichtsorgan hat, das mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die von diesen ernannt worden sind.[98]
Selbst wenn es sich nicht um eine „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ handelt, steht die Finanzierung eines Abwicklungsfonds oder eines Finanzierungsmechanismus nicht mit dem Verbot der monetären Finanzierung im Einklang.[99] Tritt die NZB als Abwicklungsbehörde auf, so sollte sie auf keinen Fall die Verpflichtungen eines Brückeninstituts oder einer zur Vermögensverwaltung errichteten Zweckgesellschaft übernehmen oder finanzieren.[100] Zu diesem Zweck sollten die innerstaatlichen Rechtsvorschriften klarstellen, dass die NZB keinerlei Verpflichtungen dieser Stellen übernehmen oder finanzieren wird.[101]
Die Richtlinie über Einlagensicherungssysteme[102] und die Richtlinie über Systeme für die Entschädigung der Anleger[103] sehen vor, dass die Kosten der Finanzierung solcher Systeme von den Kreditinstituten bzw. den Wertpapierfirmen selbst zu tragen sind. Mit Ausnahme der Finanzierung einer „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ sind innerstaatliche Rechtsvorschriften, die vorsehen, dass eine NZB eine nationale Einlagensicherungseinrichtung für Kreditinstitute bzw. eine nationale Anlegerentschädigungseinrichtung für Wertpapierfirmen finanziert, nur dann mit dem Verbot der monetären Finanzierung vereinbar, wenn es sich um eine kurzfristige Finanzierung handelt, wenn diese aufgrund von Dringlichkeit erfolgt, wenn die Systemstabilität gefährdet ist und wenn die Entscheidung über die Finanzierung im Ermessen der jeweiligen NZB steht.[104] Insbesondere sollte die von Zentralbanken geleistete Unterstützung für Einlagensicherungssysteme nicht auf eine systematische Vorfinanzierung hinauslaufen.[105]
Funktion als Fiskalagent
Artikel 21.2 der ESZB-Satzung legt fest, dass die EZB und die nationalen Zentralbanken als Fiskalagent für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten tätig werden können. Damit soll klargestellt werden, dass die NZBen nach der Übertragung der geldpolitischen Zuständigkeit auf das Eurosystem weiterhin ihren traditionellen Dienst als Fiskalagent für Regierungen und andere öffentliche Stellen ausüben können, ohne dabei gegen das Verbot der monetären Finanzierung zu verstoßen. Die Verordnung (EG) Nr. 3603/93 sieht darüber hinaus eine Reihe konkreter und eng gefasster Ausnahmen von dem Verbot der monetären Finanzierung im Zusammenhang mit der Funktion als Fiskalagent vor: 1) Innerhalb eines Tages gewährte Kredite an den öffentlichen Sektor sind gestattet, sofern sie auf den betreffenden Tag begrenzt bleiben und keine Verlängerung möglich ist;[106] 2) durch Dritte ausgestellte Schecks auf dem Konto des öffentlichen Sektors gutzuschreiben, bevor die Lastschrift bei der bezogenen Bank erfolgt, ist gestattet, sofern die seit der Entgegennahme des Schecks verstrichene Frist mit den für den Einzug von Schecks durch die Zentralbank des betreffenden Mitgliedstaats üblichen Fristen in Einklang steht, sodass etwaige Wertstellungsgewinne Ausnahmecharakter haben, geringe Beträge betreffen und sich innerhalb eines kurzen Zeitraums ausgleichen;[107] 3) Bestände an vom öffentlichen Sektor ausgegebenen Münzen, die dessen Konto gutgeschrieben wurden, sind gestattet, sofern sie weniger als 10 % des Münzumlaufs ausmachen.[108]
Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften bezüglich der Funktion als Fiskalagent müssen mit dem EU-Recht im Allgemeinen und mit dem Verbot der monetären Finanzierung im Besonderen vereinbar sein.[109] Angesichts der in Artikel 21.2 der ESZB-Satzung verankerten ausdrücklichen Anerkennung der Funktion der NZBen als Fiskalagent, bei der es sich um eine legitime, von ihnen traditionell wahrgenommene Aufgabe handelt, sind die von Zentralbanken diesbezüglich erbrachten Dienstleistungen mit dem Verbot der monetären Finanzierung vereinbar, sofern solche Dienste nicht über den Rahmen der Tätigkeit als Fiskalagent hinausgehen und keine Finanzierung von Verpflichtungen des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten durch die Zentralbank oder Kreditgewährung der Zentralbank zugunsten des öffentlichen Sektors außerhalb der eng definierten Ausnahmen gemäß Verordnung (EG) Nr. 3603/93 darstellen.[110] Innerstaatliche Rechtsvorschriften, denen zufolge eine NZB Einlagen der Regierung halten und Konten der öffentlichen Haushalte bedienen darf, werfen keine Fragen hinsichtlich der Einhaltung des Verbots der monetären Finanzierung auf, solange damit nicht die Möglichkeit der Gewährung von Krediten, einschließlich Tagesüberziehungskrediten, verbunden ist. Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des Verbots der monetären Finanzierung ergäben sich jedoch beispielsweise dann, wenn Einlagen oder Guthaben auf Girokonten gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften höher als zu den marktüblichen Sätzen, statt zu Marktsätzen oder niedriger, verzinst werden können. Eine über den Marktsätzen liegende Verzinsung kommt de facto einem Kredit gleich, was dem Ziel des Verbots der monetären Finanzierung zuwiderläuft und daher dieses Ziel untergraben könnte. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass jede Verzinsung eines Kontos den Marktparametern entspricht, und noch wichtiger, dass der Zinssatz der Einlagen mit ihrer jeweiligen Laufzeit korreliert.[111] Soweit Fiskalagentdienste durch eine NZB unentgeltlich erbracht werden, bestehen hinsichtlich des Verbots der monetären Finanzierung keine Bedenken, sofern es sich dabei um Kernleistungen als Fiskalagent handelt.[112]
Verbot des bevorrechtigten Zugangs
Artikel 124 AEUV legt fest, dass sämtliche „Maßnahmen, die nicht aus aufsichtsrechtlichen Gründen getroffen werden und einen bevorrechtigten Zugang der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen der Mitgliedstaaten zu den Finanzinstituten schaffen,“ verboten sind. Ebenso wie das Verbot der monetären Finanzierung soll auch das Verbot des bevorrechtigten Zugangs die Mitgliedstaaten dazu anhalten, eine gesunde Haushaltspolitik zu befolgen, indem vermieden wird, dass eine monetäre Finanzierung öffentlicher Defizite oder ein bevorrechtigter Zugang der öffentlichen Hand zu den Finanzmärkten zu einer übermäßigen Verschuldung oder überhöhten Defiziten der Mitgliedstaaten führen.[113]
Gemäß Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 3604/93 des Rates[114] handelt es sich bei einem bevorrechtigten Zugang um sämtliche Gesetze, Rechtsvorschriften oder sonstige zwingende Rechtsakte, die in Ausübung der öffentlichen Gewalt erlassen werden und a) Finanzinstitute dazu verpflichten, Forderungen gegenüber Organen und Einrichtungen der Gemeinschaft, Zentralregierungen, regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften, anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstigen Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlichen Unternehmen der Mitgliedstaaten zu erwerben oder zu halten, oder b) Steuervergünstigungen, die nur Finanzinstituten zugutekommen, oder finanzielle Vergünstigungen, die mit den Grundsätzen der Marktwirtschaft nicht in Einklang stehen, gewähren, um den Erwerb oder Besitz solcher Forderungen durch diese Institute zu fördern.
Den NZBen ist es als Behörden nicht gestattet, Maßnahmen zu ergreifen, die dem öffentlichen Sektor einen bevorrechtigten Zugang zu Finanzinstituten gewähren, sofern diese Maßnahmen nicht aus aufsichtsrechtlichen Gründen getroffen werden. Die von den NZBen erlassenen Vorschriften für die Mobilisierung oder Verpfändung von Schuldtiteln dürfen nicht dazu dienen, das Verbot des bevorrechtigten Zugangs zu umgehen.[115] Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in diesem Bereich dürfen keinen solchen bevorrechtigten Zugang schaffen.
Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 3604/93 definiert „aufsichtsrechtliche Gründe“ als Gründe, die den aufgrund des EU-Rechts oder in Übereinstimmung damit erlassenen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bzw. Verwaltungsmaßnahmen zugrunde liegen und die die Solidität der Finanzinstitute fördern und somit die Stabilität des gesamten Finanzsystems und den Schutz der Kunden dieser Finanzinstitute stärken sollen. Die aufsichtsrechtlichen Gründe sollen sicherstellen, dass Banken gegenüber ihren Einlegern solvent bleiben.[116] Im Bereich der Bankenaufsicht wurden im Sekundärrecht der EU verschiedene Anforderungen festgelegt, um die Solidität der Kreditinstitute zu gewährleisten.[117] Ein „Kreditinstitut“ wird definiert als ein Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren.[118] Zudem benötigen Kreditinstitute – die gemeinhin als „Banken“ bezeichnet werden – für die Bereitstellung von Dienstleistungen die Zulassung durch eine zuständige Behörde des jeweiligen Mitgliedstaats.[119]
Die Mindestreserven könnten zwar als Bestandteil der Aufsichtsanforderungen betrachtet werden, sie zählen aber zum Handlungsrahmen der NZBen und werden in den meisten Volkswirtschaften – so auch im Euro-Währungsgebiet – als geldpolitisches Instrument genutzt.[120] In diesem Zusammenhang wird in Anhang I Absatz 2 der Leitlinie EZB/2014/60[121] dargelegt, dass das Mindestreservesystem des Eurosystems in erster Linie dazu dient, die Geldmarktzinsen zu stabilisieren und eine strukturelle Liquiditätsknappheit herbeizuführen (oder zu vergrößern).[122] Die EZB verlangt von im Euro-Währungsgebiet niedergelassenen Kreditinstituten, dass sie die erforderlichen Mindestreserven (in Form von Einlagen) auf einem Konto bei ihrer NZB halten.[123]
Der vorliegende Bericht stellt auf die Vereinbarkeit sowohl der innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Bestimmungen der NZBen als auch der Satzungen der NZBen mit dem im AEUV verankerten Verbot des bevorrechtigten Zugangs ab. Er steht jedoch einer Beurteilung, ob in den Mitgliedstaaten Rechts- oder Verwaltungsvorschriften unter dem Vorwand aufsichtsrechtlicher Gründe dazu dienen, das Verbot des bevorrechtigten Zugangs zu umgehen, nicht entgegen. Eine solche Beurteilung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Berichts.
2.2.6 Einheitliche Schreibweise des Euro
Gemäß Artikel 3 Absatz 4 des Vertrags über die Europäische Union errichtet die Union „eine Wirtschafts- und Währungsunion, deren Währung der Euro ist“. In allen verbindlichen Sprachfassungen der Verträge, denen das römische Alphabet zugrunde liegt, wird der Euro einheitlich im Nominativ Singular als „Euro“ bezeichnet. In den unter Verwendung des griechischen Alphabets und des kyrillischen Alphabets abgefassten Vertragstexten wird der Euro als „ ευρώ“ bzw. „евро“ bezeichnet.[124] Im Einklang hiermit stellt die Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro[125] klar, dass die einheitliche Währung in allen Amtssprachen der Union unter Berücksichtigung der verschiedenen Alphabete denselben Namen tragen muss. Die Verträge fordern daher eine einheitliche Schreibweise des Wortes „Euro“ im Nominativ Singular in allen Rechtsvorschriften der EU und allen innerstaatlichen Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Alphabete.
In Anbetracht der ausschließlichen Zuständigkeit der EU für die Festlegung des Namens der einheitlichen Währung sind jegliche Abweichungen von dieser Bestimmung mit den Verträgen unvereinbar und daher zu beseitigen.[126] Dieser Grundsatz findet zwar auf sämtliche innerstaatlichen Rechtsvorschriften Anwendung, doch konzentriert sich die Beurteilung in den Länderkapiteln auf die Satzungen der NZBen und die Bestimmungen zur Euro-Bargeldumstellung.
2.2.7 Rechtliche Integration der NZBen in das Eurosystem
Innerstaatliche Rechtsvorschriften (insbesondere die Satzung einer NZB, aber auch sonstige Rechtsvorschriften), die die Erfüllung von Aufgaben im Rahmen des Eurosystems oder die Einhaltung von EZB-Beschlüssen behindern würden, sind mit dem reibungslosen Funktionieren des Eurosystems nach der Einführung des Euro in dem jeweiligen Mitgliedstaat nicht vereinbar. Sie sind daher entsprechend abzuändern, um die Vereinbarkeit mit dem AEUV und der ESZB-Satzung im Hinblick auf die Aufgaben im Rahmen des Eurosystems zu gewährleisten. Zur Erfüllung von Artikel 131 AEUV waren die innerstaatlichen Rechtsvorschriften bis zum Zeitpunkt der Errichtung des ESZB (im Fall Schwedens) sowie bis zum 1. Mai 2004, 1. Januar 2007 bzw. 1. Juli 2013 (bei den Mitgliedstaaten, die zum jeweiligen Zeitpunkt der EU beitraten) anzupassen. Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit der vollständigen rechtlichen Integration einer NZB in das Eurosystem müssen hingegen erst dann in Kraft treten, wenn die vollständige Integration wirksam wird – also erst zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, den Euro einführt.
Das Hauptaugenmerk in diesem Bericht gilt jenen Rechtsvorschriften, die NZBen daran hindern könnten, ihren Verpflichtungen im Rahmen des Eurosystems nachzukommen. Dazu zählen Bestimmungen, a) die NZBen davon abhalten könnten, sich an der Durchführung der von den Beschlussorganen der EZB festgelegten einheitlichen Geldpolitik zu beteiligen, b) die einen Zentralbankpräsidenten bei der Erfüllung seiner Aufgaben als Mitglied des EZB-Rats behindern könnten, c) in denen die Vorrechte der EZB nicht berücksichtigt sind, d) in denen nicht berücksichtigt ist, dass die ausschließliche Zuständigkeit für Aufgaben im Rahmen des ESZB in Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, unwiderruflich der Union übertragen ist,[127] oder e) denen zufolge NZBen bei der Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen des ESZB an Entscheidungen nationaler Behörden gebunden sind, die Rechtsakten der EZB entgegenstehen. Dabei wird unterschieden zwischen wirtschaftspolitischer Zielbestimmung, Aufgaben, Finanzvorschriften, Wechselkurspolitik und internationaler Zusammenarbeit. Schließlich werden noch andere Bereiche angeführt, in denen die NZB-Satzungen möglicherweise angepasst werden müssen.
Wirtschaftspolitische Zielbestimmung
Die vollständige Integration einer NZB in das Eurosystem erfordert, dass die in ihrer Satzung verankerten Ziele mit den Zielen des ESZB (nach Artikel 2 der ESZB-Satzung) im Einklang stehen. Dies bedeutet unter anderem, dass gewisse innerstaatlich motivierte Ziele − zum Beispiel die Verpflichtung, die Geldpolitik im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftspolitik des betreffenden Mitgliedstaats durchzuführen − entsprechend abzuändern sind. Außerdem müssen auch die nachrangigen Ziele der NZBen mit ihrer Verpflichtung, die allgemeine Wirtschaftspolitik in der EU zu unterstützen, um zur Verwirklichung der in Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union festgelegten Ziele der Union beizutragen (dies selbst ein Ziel, das das Ziel der Preisstabilität unbeschadet lässt), vereinbar sein und dürfen ihr nicht entgegenstehen.[128]
Aufgaben
Die Aufgaben der NZB eines Mitgliedstaats, dessen Währung der Euro ist, werden aufgrund des Status dieser NZB als integraler Bestandteil des Eurosystems in erster Linie durch den AEUV und die ESZB-Satzung bestimmt. Zur Erfüllung von Artikel 131 AEUV müssen daher die Aufgabenbeschreibungen in der Satzung einer NZB mit den betreffenden Bestimmungen im AEUV und in der ESZB-Satzung verglichen und Unvereinbarkeiten beseitigt werden.[129] Dies gilt für alle Bestimmungen, die nach der Einführung des Euro und der Integration in das Eurosystem die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB beeinträchtigen, vor allem für Bestimmungen, in denen die Zuständigkeit des ESZB nach Kapitel IV der ESZB-Satzung nicht berücksichtigt ist.
In den innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Geldpolitik muss berücksichtigt sein, dass die Geldpolitik der Union durch das Eurosystem auszuführen ist.[130] In der Satzung einer NZB können Bestimmungen über das geldpolitische Instrumentarium enthalten sein. Diese Bestimmungen müssen mit den entsprechenden Bestimmungen des AEUV und der ESZB-Satzung vergleichbar sein und etwaige Unvereinbarkeiten beseitigt werden, um Artikel 131 AEUV zu entsprechen.
Die NZBen überwachen auf regelmäßiger Basis die Entwicklung der öffentlichen Finanzen, damit sie den künftig einzuschlagenden geldpolitischen Kurs angemessen beurteilen können. Gestützt auf diese Überwachungstätigkeit und die Unabhängigkeit ihrer Empfehlungen dürfen die NZBen zudem ihre Meinung zu relevanten Entwicklungen der öffentlichen Finanzen äußern, um zum reibungslosen Funktionieren der Europäischen Währungsunion beizutragen. Die Überwachung der Entwicklung der öffentlichen Finanzen durch die NZBen zu geldpolitischen Zwecken sollte auf der Grundlage eines uneingeschränkten Zugangs zu allen relevanten Daten über die öffentlichen Finanzen erfolgen. Die NZBen sollten daher einen vollständigen, zeitnahen und automatischen Zugang zu allen relevanten Finanzstatistiken erhalten. Ihre Rolle sollte sich jedoch auf Überwachungsaktivitäten beschränken, die sich aus der Erfüllung ihres geldpolitischen Mandats ergeben oder – direkt oder indirekt – damit in Verbindung stehen.[131] Wird einer NZB formal ein Mandat zur Beurteilung von Prognosen und der Entwicklung der öffentlichen Finanzen erteilt, so impliziert dies für die NZB eine Funktion (und damit auch eine entsprechende Verantwortung) im Rahmen der Finanzpolitik, wodurch die Erfüllung des geldpolitischen Mandats des Eurosystems und die Unabhängigkeit der NZB unterminiert werden können.[132]
Im Zusammenhang mit den innerstaatlichen Gesetzesinitiativen zur Beseitigung der Turbulenzen an den Finanzmärkten hat die EZB betont, dass jegliche Verzerrung an den nationalen Geldmärkten des Euro-Währungsgebiets zu vermeiden ist, da hierdurch die Durchführung der einheitlichen Geldpolitik beeinträchtigt werden könnte. Dies gilt insbesondere für die Ausweitung staatlicher Garantien auf Interbankeneinlagen.[133]
Die Mitgliedstaaten müssen gewährleisten, dass innerstaatliche gesetzgeberische Maßnahmen zur Behebung von Liquiditätsproblemen bei Unternehmen oder professionellen Marktteilnehmern, etwa zur Deckung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber Finanzinstituten, keine negativen Auswirkungen auf die Marktliquidität haben. Insbesondere dürfen solche Maßnahmen nicht mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft im Sinne von Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union unvereinbar sein, da dies die Kreditvergabe behindern, die Stabilität von Finanzinstituten und -märkten wesentlich beeinflussen und somit die Wahrnehmung der Aufgaben des Eurosystems beeinträchtigen könnte.[134]
Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die der jeweiligen NZB das alleinige Recht zur Ausgabe von Banknoten einräumen, müssen ab der Einführung des Euro das ausschließliche Recht des EZB-Rats zur Genehmigung der Ausgabe von Euro-Banknoten gemäß Artikel 128 Absatz 1 AEUV und Artikel 16 der ESZB-Satzung anerkennen,[135] während das Recht zur Ausgabe von Euro-Banknoten der EZB und den NZBen zusteht. Sobald der Euro eingeführt ist, müssen innerstaatliche Rechtsvorschriften, nach denen die Regierung Einfluss auf Banknoten, beispielsweise auf deren Stückelung, Herstellung, Umlauf und Einziehung, nehmen kann, entweder aufgehoben werden oder die Zuständigkeit der EZB für die Euro-Banknoten im Sinne der oben genannten Bestimmungen des AEUV und der ESZB-Satzung berücksichtigen. Ungeachtet der Aufgabenteilung zwischen den Regierungen und den NZBen in Bezug auf Münzen müssen die jeweiligen Bestimmungen nach der Einführung des Euro das Recht der EZB zur Genehmigung des Umfangs der Münzausgabe anerkennen. Ein Mitgliedstaat darf das sich im Umlauf befindliche Bargeld nicht als Verbindlichkeit seiner NZB gegenüber der Regierung dieses Mitgliedstaats betrachten, da dies das Konzept einer einheitlichen Währung zu Fall bringen würde und mit den Anforderungen an die rechtliche Integration in das Eurosystem unvereinbar wäre.[136]
Was die Verwaltung der Währungsreserven betrifft,[137] so verstößt ein Mitgliedstaat, der den Euro eingeführt hat und seine offiziellen Währungsreserven[138] nicht an die NZB überträgt, gegen den AEUV. Ferner ist jedwedes Recht eines Dritten – zum Beispiel der Regierung oder des Parlaments –, Einfluss auf die Entscheidungen einer NZB hinsichtlich der Verwaltung der offiziellen Währungsreserven zu nehmen, mit Artikel 127 Absatz 2 dritter Gedankenstrich AEUV unvereinbar. Darüber hinaus müssen die NZBen entsprechend ihrem Anteil am gezeichneten Kapital der EZB Währungsreserven an die EZB übertragen. Dies bedeutet, dass die NZBen nicht durch rechtliche Bestimmungen daran gehindert werden dürfen, Währungsreserven an die EZB zu übertragen.
Im Hinblick auf Statistiken begründen zwar Verordnungen, die von der EZB nach Artikel 34.1 der ESZB-Satzung im Bereich der Statistiken erlassen wurden, keinerlei Rechte oder Verpflichtungen für jene Mitgliedstaaten, die den Euro nicht eingeführt haben; allerdings gilt Artikel 5 der ESZB-Satzung, der die Erhebung statistischer Daten betrifft, für alle Mitgliedstaaten, unabhängig davon, ob sie den Euro eingeführt haben. Dementsprechend sind Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist, dazu verpflichtet, auf nationaler Ebene alle Maßnahmen zu treffen und umzusetzen, die sie für erforderlich halten, um die zur Erfüllung der statistischen Berichtspflichten gegenüber der EZB benötigten statistischen Daten zu erheben[139] und rechtzeitig alle Vorbereitungen zu treffen, die im statistischen Bereich erforderlich sind, um den Euro einführen zu können.[140] Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die den Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen den NZBen und den nationalen Statistikämtern festlegen, müssen die Unabhängigkeit der NZBen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Zusammenhang mit dem statistischen Berichtsrahmen des ESZB gewährleisten.[141]
Finanzvorschriften
Die Finanzvorschriften der ESZB-Satzung enthalten Bestimmungen über die Jahresabschlüsse[142], Rechnungsprüfung[143], Kapitalzeichnung[144], Übertragung von Währungsreserven[145] und Verteilung der monetären Einkünfte[146]. Die NZBen müssen in der Lage sein, ihren Verpflichtungen aus diesen Bestimmungen nachzukommen; damit nicht in Einklang stehende innerstaatliche Vorschriften sind daher aufzuheben.[147]
Wechselkurspolitik
Ein Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, kann innerstaatliche Rechtsvorschriften beibehalten, denen zufolge die Regierung für die Wechselkurspolitik dieses Mitgliedstaats zuständig ist, wobei der jeweiligen NZB ein Beratungsrecht und/oder die ausführende Rolle eingeräumt werden kann. Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Mitgliedstaat den Euro einführt, sind diese Bestimmungen jedoch dahingehend anzupassen, dass die Verantwortung für die Wechselkurspolitik des Euro-Währungsgebiets gemäß Artikel 138 und Artikel 219 AEUV auf der Ebene der EU liegt.
Internationale Zusammenarbeit
Im Hinblick auf die Einführung des Euro müssen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit Artikel 6.1 der ESZB-Satzung vereinbar sein, wonach im Bereich der internationalen Zusammenarbeit, die die dem Eurosystem übertragenen Aufgaben betrifft, die EZB entscheidet, wie das ESZB vertreten wird. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die einer NZB die Beteiligung an internationalen Währungseinrichtungen erlauben, müssen eine solche Beteiligung unter den Zustimmungsvorbehalt der EZB stellen (Artikel 6.2 der ESZB-Satzung).
Sonstiges
Neben den oben genannten Punkten gibt es bei einigen Mitgliedstaaten noch andere Bereiche, in denen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften angepasst werden müssen (beispielsweise im Bereich der Verrechnungs- und Zahlungssysteme und des Informationsaustauschs).
3 Stand der wirtschaftlichen Konvergenz
Dieses Kapitel enthält einen horizontalen Überblick. Einige Faktoren, die für die Gesamtbeurteilung relevant sind, werden nicht an dieser Stelle, sondern in Kapitel 4 und 5 erörtert.
Hinsichtlich der Einhaltung der Konvergenzkriterien hielten sich die Fortschritte seit dem Konvergenzbericht 2022 der EZB in Grenzen, was auf das schwierige wirtschaftliche Umfeld zurückzuführen war. In allen sechs im vorliegenden Bericht untersuchten Ländern liegt die am HVPI gemessene Inflationsrate oberhalb des Referenzwerts, wobei sie in fünf Ländern deutlich darüber liegt (siehe Tabelle 3.1). Seit April 2022 hat sich der Zwölfmonatsdurchschnitt des Abstands der langfristigen Zinsen gegenüber dem Euro-Währungsgebiet in einem Land vergrößert, in vier Ländern verringert und ist in einem Land unverändert geblieben. Wie bereits 2022 erfüllen drei Länder das Kriterium des langfristigen Zinssatzes nicht, da dieser jeweils oberhalb des Referenzwerts liegt. Die Wechselkurse der Währungen einiger in diesem Bericht untersuchter Staaten verzeichneten in den vergangenen Jahren beträchtliche Schwankungen gegenüber dem Euro. Die öffentlichen Finanzen verbesserten sich in den meisten Ländern nach der Corona-Pandemie, da sich ihre Volkswirtschaften erholten und die pandemiebedingten Stützungsmaßnahmen ausliefen. In den meisten Fällen liegen die öffentlichen Defizit- und Schuldenquoten jedoch weiterhin über dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau, was zum Teil auf die wirtschaftlichen Folgen von Russlands Krieg gegen die Ukraine und die Maßnahmen der Finanzpolitik, die als Reaktion auf die kriegsbedingt hohen Energiepreise ergriffen wurden, zurückzuführen ist.
Tabelle 3.1
Übersicht über die Indikatoren der wirtschaftlichen Konvergenz
Preis-stabilität | Entwicklung der öffentlichen Haushalte und Prognosen | Wechselkurs | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
HVPI-Inflation1) | Land mit übermäßigem Defizit2), 3) | Finanzierungs-saldo des Staates4) | Verschul-dung des Staates4) | Am WKM II teilnehmende Währung3) | Wechselkurs gegenüber dem Euro5) | Langfristiger Zinssatz6) | ||
Bulgarien | ||||||||
2022 | 13,0 | Nein | -2,9 | 22,6 | Ja | 0,0 | 1,5 | |
2023 | 8,6 | Nein | -1,9 | 23,1 | Ja | 0,0 | 3,8 | |
2024 | 5,1 | Nein | -2,8 | 24,8 | Ja | 0,0 | 4,0 | |
Tschechische Republik | ||||||||
2022 | 14,8 | Nein | -3,2 | 44,2 | Nein | 4,2 | 4,3 | |
2023 | 12,0 | Nein | -3,7 | 44,0 | Nein | 2,3 | 4,4 | |
2024 | 6,3 | Nein | -2,4 | 45,2 | Nein | -4,2 | 4,2 | |
Ungarn | ||||||||
2022 | 15,3 | Nein | -6,2 | 74,1 | Nein | -9,1 | 7,6 | |
2023 | 17,0 | Nein | -6,7 | 73,5 | Nein | 2,4 | 7,5 | |
2024 | 8,4 | Nein | -5,4 | 74,3 | Nein | -2,0 | 6,8 | |
Polen | ||||||||
2022 | 13,2 | Nein | -3,4 | 49,2 | Nein | -2,6 | 6,1 | |
2023 | 10,9 | Nein | -5,1 | 49,6 | Nein | 3,1 | 5,8 | |
2024 | 6,1 | Nein | -5,4 | 53,7 | Nein | 4,9 | 5,6 | |
Rumänien | ||||||||
2022 | 12,0 | Ja | -6,3 | 47,5 | Nein | -0,2 | 7,5 | |
2023 | 9,7 | Ja | -6,6 | 48,8 | Nein | -0,3 | 6,7 | |
2024 | 7,6 | Ja | -6,9 | 50,9 | Nein | -0,6 | 6,4 | |
Schweden | ||||||||
2022 | 8,1 | Nein | 1,2 | 33,2 | Nein | -4,8 | 1,5 | |
2023 | 5,9 | Nein | -0,6 | 31,2 | Nein | -8,0 | 2,5 | |
2024 | 3,6 | Nein | -1,4 | 32,0 | Nein | 0,7 | 2,5 | |
Referenzwert7) | 3,3 | -3,0 | 60,0 | 4,8 |
Quellen: Europäische Kommission (Eurostat, Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen) und Europäisches System der Zentralbanken.
1) Durchschnittliche Veränderung gegen Vorjahr in %. Die Angaben für 2024 beziehen sich auf den Zeitraum von Juni 2023 bis Mai 2024.
2) Bezieht sich darauf, ob zumindest für einen Teil des Jahres ein Beschluss des Rates der EU vorlag, wonach in diesem Land ein übermäßiges Defizit bestand.
3) Die Daten für 2024 beziehen sich auf den Zeitraum bis zum Stichtag der Statistiken des Berichts (19. Juni 2024).
4) In % des BIP. Die Angaben für 2024 wurden der Frühjahrsprognose 2024 der Europäischen Kommission entnommen.
5) Veränderung gegen Vorjahr in %. Eine positive (negative) Zahl zeigt eine Aufwertung (Abwertung) gegenüber dem Euro an. Die Angaben für 2024 beziehen sich auf den Zeitraum vom 1. Januar 2024 bis zum 19. Juni 2024.
6) Durchschnittlicher Jahreszinssatz. Die Angaben für 2024 beziehen sich auf den Zeitraum von Juni 2023 bis Mai 2024.
7) Die Referenzwerte für die HVPI-Inflation und für die langfristigen Zinssätze beziehen sich auf den Zeitraum von Juni 2023 bis Mai 2024. Die Referenzwerte für den Finanzierungssaldo und die Verschuldung des Staates, auf die in Artikel 126 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Bezug genommen wird, sind im entsprechenden Protokoll (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit festgelegt.
In den vergangenen zwei Jahren stand die EU unter dem Einfluss der wirtschaftlichen Auswirkungen des Einmarschs Russlands in die Ukraine, die eine erhebliche Abschwächung der Wirtschaftstätigkeit und einen Inflationsschub zur Folge hatten. Seit Anfang 2022 belastet Russlands Krieg gegen die Ukraine die Konjunktur in den betrachteten Ländern, was auf die damit verbundene Unsicherheit, die Handels- und Lieferkettenstörungen und das sinkende Unternehmer- und Verbrauchervertrauen zurückzuführen ist. Zugleich verringerten sich durch den kräftigen Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise die Nachfrage sowie die Produktion. Die untersuchten mittel- und osteuropäischen Länder sind aufgrund ihrer sehr energieintensiven Produktion, ihrer wirtschaftlichen Offenheit und Einbindung in globale Lieferketten sowie ihrer Handels- und Finanzbeziehungen zu Russland besonders stark von den wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges betroffen (siehe auch Abschnitt 3.1). Zudem hat die geldpolitische Straffung, die in den meisten Ländern früher begann als im Euroraum, die Konjunktur belastet. Besonders stark waren diese Auswirkungen in der Tschechischen Republik, Ungarn und Schweden zu spüren, deren Volkswirtschaften 2023 insgesamt schrumpften. Polen verzeichnete im selben Jahr ein schwaches Wachstum, während Bulgarien und Rumänien mit einem Wirtschaftswachstum von rund 2 % – gestützt durch eine relativ starke Binnennachfrage – etwas widerstandsfähiger blieben.
Die Konjunktur dürfte in allen betrachteten Ländern auf kurze Sicht anziehen, doch die geopolitischen Spannungen trüben die Wirtschaftsaussichten. Die seit Anfang 2023 beobachtete Abschwächung des Preisdrucks und der Lieferengpässe sowie das gestiegene Vertrauen und die robusten Arbeitsmärkte dürften die wirtschaftliche Erholung in den untersuchten Ländern im Jahr 2024 unterstützen. Zugleich wird die Konjunktur weiterhin durch die restriktiven Finanzierungsbedingungen und die Unsicherheit gedämpft. Ein zentraler Unsicherheitsfaktor sind die geopolitischen Spannungen, die die Fragmentierungstendenzen verstärken und dadurch die Handels- und Investitionsströme weiter beeinträchtigen und die Risikowahrnehmung erhöhen könnten. Überdies werden die Konjunkturaussichten auch dadurch getrübt, dass die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der meisten Länder in den vergangenen Jahren gesunken ist und Unsicherheit im Zusammenhang mit der Inflationsentwicklung besteht.
In den zurückliegenden Jahrzehnten haben die untersuchten mittel- und osteuropäischen Länder Fortschritte hinsichtlich der realen Konvergenz mit dem Durchschnitt des Eurogebiets erreicht. Seit 1999 haben diese Länder ihr reales Pro-Kopf-BIP in erheblichem Maße an den euroraumweiten Durchschnitt angenähert (siehe Abbildung 3.1). Seit 2019 ist der Aufholprozess allerdings in einigen Ländern ins Stocken geraten oder hat sich sogar umgekehrt. Dies gilt insbesondere für die Tschechische Republik, die von Ende 2019 bis zum Frühjahr 2023 einen erheblichen Anstieg des realen Wechselkurses verzeichnete. Zudem sind nach wie vor beträchtliche gesamtwirtschaftliche und finanzielle Anfälligkeiten gegeben, die allerdings je nach Land unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Sofern diesen Anfälligkeiten nicht in angemessener Weise begegnet wird, dürften sie die Länder für negative außenwirtschaftliche Schocks verwundbar machen und ihre Fortschritte im Konvergenzprozess langfristig bremsen. Einige zentrale Herausforderungen in Bezug auf die langfristige reale Konvergenz dieser Länder sind a) ein sich veränderndes und unsicheres geopolitisches Umfeld, das nicht nur die Handels- und Investitionsströme in naher Zukunft beeinträchtigen, sondern auch die langfristigen Produktionstrends beeinflussen könnte, b) Verschiebungen der sektoralen Wirtschaftsstrukturen, die in der Regel eine Herausforderung für Länder beim Übergang von einem mittleren zu einem hohen Einkommensniveau darstellen, c) ein anhaltender Arbeitskräftemangel und negative demografische Entwicklungen, insbesondere die Abwanderung hoch qualifizierter Arbeitskräfte, sowie d) begrenzte Fortschritte bei der Verbesserung der Qualität der wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerung, der institutionellen Kapazitäten und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Abbildung 3.1
Reales Pro-Kopf-BIP
a) Gemessen am Durchschnitt des Euroraums | b) Ausgangsniveau 1999 verglichen mit anschließender Veränderung gemessen am Durchschnitt des Euroraums |
---|---|
Quellen: Europäische Kommission (Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen) und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Auf Basis des realen Pro-Kopf-BIP zu Kaufkraftparitäten. In Grafik b stehen die roten Punkte für die untersuchten Länder, die grünen Punkte stehen für die Länder, die dem Euroraum seit 2003 beigetreten sind, die hellblauen Punkte stehen für die Länder, die dem Euroraum vor 2003 beigetreten sind, und der graue Punkt steht für Dänemark. Irland bleibt aufgrund der außergewöhnlich umfangreichen Revision der BIP-Daten für 2015, die nicht auf einen tatsächlichen Anstieg der Wirtschaftstätigkeit zurückzuführen ist, unberücksichtigt. Luxemburg ist ausgenommen, da die Berechnungen des Pro-Kopf-BIP durch die hohe Zahl an grenzüberschreitend tätigen Arbeitskräften verzerrt sind.
Was das Kriterium der Preisstabilität anbelangt, so lag der Zwölfmonatsdurchschnitt der Teuerungsrate in allen sechs hier untersuchten Ländern oberhalb des Referenzwerts von 3,3 % (siehe Abbildung 3.2). Während in Bulgarien, der Tschechischen Republik, Ungarn, Polen und Rumänien Inflationsraten deutlich über dem Referenzwert verzeichnet wurden, lag die Teuerung in Schweden nur leicht darüber. Auch im Konvergenzbericht 2022 hatten Bulgarien, die Tschechische Republik, Ungarn, Polen und Rumänien Teuerungsraten deutlich oberhalb des damals geltenden Referenzwerts von 4,9 % verzeichnet.
Abbildung 3.2
HVPI-Inflation
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts liegt gegen Rumänien ein Beschluss des Rates der EU vor, wonach in dem Land ein übermäßiges Defizit besteht. Darüber hinaus stellte die Europäische Kommission im Juni 2024 fest, dass Ungarn und Polen das Defizitkriterium des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht eingehalten haben. Nachdem die Haushaltsdefizite während der Pandemie stark angestiegen waren, verringerten sie sich anschließend zwar größtenteils wieder, waren aber 2023 in allen Ländern außer in Schweden weiterhin hoch. In vier Ländern verbesserte sich der Finanzierungssaldo gegenüber dem Konvergenzbericht 2022, wohingegen er sich in Polen stark und in Schweden in etwas geringerem Maße verschlechterte. Im Jahr 2023 wiesen vier Staaten ein Haushaltsdefizit über dem Referenzwert auf. In Ungarn und Rumänien lag das Defizit erheblich über dem Referenzwert (6,7 % bzw. 6,6 % des BIP), in Polen deutlich darüber (5,1 % des BIP), und in der Tschechischen Republik lag es mit 3,7 % des BIP ebenfalls über dem Referenzwert (siehe Abbildung 3.3). Im Jahr 2024 dürfte sich die Defizitquote der Frühjahrsprognose 2024 der Europäischen Kommission zufolge in vier Ländern verschlechtern und in Ungarn, Polen und Rumänien weiterhin oberhalb des Referenzwerts von 3 % liegen. Für 2025 wird mit einer Verbesserung des Finanzierungssaldos in vier der untersuchten Länder gerechnet, doch dürfte er in Ungarn, Polen und Rumänien den Referenzwert abermals überschreiten. Was das Schuldenstandskriterium betrifft, so lag die Schuldenquote im Jahr 2023 in Bulgarien und Schweden deutlich unter dem Referenzwert (siehe Abbildung 3.4). In der Tschechischen Republik, Polen und Rumänien lag sie unter dem Referenzwert und betrug 40 % bis 50 %. Ungarn war das einzige hier betrachtete Land, in dem die gesamtstaatliche Schuldenquote im Jahr 2023 über dem Referenzwert von 60 % lag. Zum Stichtag dieses Berichts lag gegen Rumänien noch immer ein Beschluss des Rates vor, wonach in dem Land ein übermäßiges Defizit besteht. Im April 2020 wurde ein Verfahren bei einem übermäßigen Defizit eingeleitet, und im Juni 2024 befand die Kommission, dass Rumänien keine wirksamen Maßnahmen zur Korrektur des übermäßigen Defizits ergriffen hat. Zugleich gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass Ungarn und Polen – basierend auf den Ergebnissen für 2023 sowie dem für 2024 geplanten Defizit – das Defizitkriterium des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht eingehalten haben. Daher beabsichtigt die Kommission, dem Rat im Juli 2024 vorzuschlagen, nach Artikel 126 Absatz 6 AEUV einen Beschluss über das Vorliegen eines übermäßigen Defizits in Ungarn und Polen zu fassen.
Abbildung 3.3
Finanzierungssaldo des Staates
Abbildung 3.4
Bruttoverschuldung des Staates
Was das Wechselkurskriterium anbelangt, so nimmt nur der bulgarische Lew zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts am Wechselkursmechanismus (WKM II) teil. Der bulgarische Lew wurde im Juli 2020 in den WKM II aufgenommen. Für ihn gilt ein Leitkurs von 1,95583 Lewa je Euro mit einer Standardschwankungsbandbreite von ±15 %. Bulgarien trat dem WKM II mit seinem bestehenden Currency Board im Rahmen einer einseitigen Bindung bei, aus der keine zusätzlichen Verpflichtungen für die EZB erwachsen. Die Vereinbarung über die Teilnahme am WKM II beruhte auf einer Reihe politischer Zusagen der bulgarischen Behörden. Während des zweijährigen Referenzzeitraums zeigte der Lew keine Abweichung von seinem Leitkurs. Mit Ausnahme des rumänischen Leu, der eine geringe Volatilität aufwies, waren die übrigen Währungen, die nicht am WKM II teilnahmen, von einer relativ hohen Volatilität geprägt. Die tschechische Krone, der rumänische Leu und die schwedische Krone notierten im Juni 2024 schwächer gegenüber dem Euro als im Juni 2022; der Kurs des ungarischen Forint blieb unterdessen nahezu unverändert, und der polnische Zloty gewann an Wert (siehe Abbildung 3.5).[148]
Abbildung 3.5
Bilaterale Wechselkurse gegenüber dem Euro
Was die Konvergenz der langfristigen Zinssätze anbetrifft, so lagen diese in drei der sechs hier untersuchten Staaten oberhalb des Referenzwerts von 4,8 % (siehe Abbildung 3.6). In Polen, Rumänien und Ungarn lagen die Zinssätze oberhalb des Referenzwerts. Am niedrigsten waren sie in Schweden. Im Konvergenzbericht 2022 hatten Polen und Rumänien langfristige Zinssätze oberhalb des Referenzwerts von damals 2,6 % verzeichnet, während sie in Rumänien deutlich darüber gelegen hatten.
Abbildung 3.6
Langfristige Zinssätze
Bei der Untersuchung der Einhaltung der Konvergenzkriterien ist Nachhaltigkeit von zentraler Bedeutung. Die Konvergenzkriterien sind nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern auf Dauer einzuhalten. Die ersten zehn Jahre der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) haben gezeigt, dass schwache Fundamentaldaten, ein übermäßig lockerer makroökonomischer Kurs, unzureichende statistische Ressourcen auf Länderebene und zu optimistische Einschätzungen bezüglich der Konvergenz der realen Einkommen nicht nur Risiken für die betroffenen Länder, sondern auch für das reibungslose Funktionieren des Euroraums insgesamt mit sich bringen. Im zweiten Jahrzehnt hat sich gezeigt, dass die wirtschaftliche Konvergenz herausfordernd und zeitaufwendig sein kann, wenn zu Beginn große makroökonomische Ungleichgewichte bestehen, sich Anpassungs- und Reformprozesse als schwierig erweisen und/oder die Widerstandsfähigkeit gegenüber negativen Schocks gering ist. Die Bewältigung dieser Herausforderungen liegt in der Verantwortung der nationalen Behörden und vornehmlich im Interesse des Landes selbst. Sie ist aber auch wichtig für das reibungslose Funktionieren des Euroraums im Allgemeinen und die Transmission der Geldpolitik im Besonderen. Werden die numerischen Konvergenzkriterien zu einem bestimmten Zeitpunkt erfüllt, so ist dies allein keine Garantie dafür, dass die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung eines Mitgliedstaats des Eurogebiets auch in Zukunft reibungslos und positiv verlaufen wird. Länder, die dem Euroraum beitreten, sollten daher die Nachhaltigkeit ihrer Konvergenzprozesse und ihre Fähigkeit unter Beweis stellen, den laufenden Verpflichtungen und Herausforderungen gerecht zu werden, die mit der Einführung der Gemeinschaftswährung einhergehen, und dabei berücksichtigen, dass die Währungsunion keine Fiskalunion ist und die Risikoteilungsmechanismen in der WWU demnach sehr begrenzt sind.
Um eine nachhaltige Konvergenz zu erreichen, bedarf es in vielen der untersuchten Staaten einer dauerhaften Anpassung der Politik. Voraussetzungen für eine nachhaltige Konvergenz sind gesamtwirtschaftliche Stabilität, günstige Rahmenbedingungen für Unternehmen mit effizienten Wirtschaftsstrukturen und öffentlichen Institutionen und vor allem eine solide Haushaltspolitik. Um makroökonomischen Schocks begegnen zu können, müssen die Güter- und Arbeitsmärkte in hohem Maße flexibel sein. Erforderlich ist eine Stabilitätskultur mit fest verankerten Inflationserwartungen, die dazu beitragen, ein von Preisstabilität geprägtes Umfeld zu schaffen. Die Bedingungen einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb sind notwendig, um den effizienten Einsatz der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit zu gewährleisten und die Produktivität sowie ein langfristiges Wirtschaftswachstum zu fördern. Die Synchronisierung der Konjunkturzyklen erfordert ein hohes Maß an wirtschaftlicher Integration in den Euroraum. Zudem muss eine geeignete makroprudenzielle Politik festgelegt werden, um den Aufbau gesamtwirtschaftlicher und finanzieller Ungleichgewichte – etwa einen übermäßigen Anstieg der Vermögenspreise und mit hohen sozialen Kosten verbundene Boom-Bust-Zyklen bei Krediten – zu verhindern. Darüber hinaus müssen geeignete Rahmenbedingungen für die Bankenaufsicht vorliegen. Für Länder, die Gegenstand einer eingehenden Überprüfung durch die Europäische Kommission im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht sind, ist es von entscheidender Bedeutung, die festgestellten wirtschaftlichen Ungleichgewichte abzubauen. Abschließend spielt auch die Stärke des institutionellen Umfelds, so auch die Fähigkeit eines Landes, wirtschaftliche Anpassungsmaßnahmen und eine solide Strukturpolitik durchzuführen, bei der wirtschaftlichen Integration und Konvergenz eine wichtige Rolle. Das Aufbaupaket „Next Generation EU“ (NGEU) bietet eine einzigartige Gelegenheit, den Prozess der Konvergenz mit dem Euroraum zu beschleunigen, wobei eine effiziente und effektive Umsetzung von Investitionsplänen und Reformen für den Erfolg von entscheidender Bedeutung ist.
3.1 Das Kriterium der Preisstabilität
Im Mai 2024 lag in fünf der sechs untersuchten Länder der Zwölfmonatsdurchschnitt der Teuerungsrate deutlich oberhalb des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 3,3 %. Die Inflation hat sich im Jahr 2021 stark erhöht. Ausschlaggebend hierfür waren vor allem Basiseffekte, hohe Energiepreissteigerungen, pandemiebedingte Lieferengpässe und das starke Anziehen der weltweiten Güternachfrage. Seit Anfang 2022 hat Russlands Krieg gegen die Ukraine den Inflationsdruck verstärkt, und zwar über höhere Energie- und Rohstoffpreise sowie durch die zusätzliche Belastung der ohnehin schon gestörten Lieferketten. Infolgedessen stieg die Inflation in allen hier untersuchten Ländern 2022 weiter an, wobei der Anstieg unter anderem aufgrund nationaler politischer Maßnahmen unterschiedlich hoch ausfiel. Seit dem Konvergenzbericht 2022 hat sich die Inflation in den meisten betrachteten Ländern ähnlich entwickelt. Zwischen Juni 2023 und Mai 2024 hat sie sich in allen Ländern merklich abgeschwächt, war aber in Bulgarien, der Tschechischen Republik, Ungarn, Polen und Rumänien höher als in Schweden, was hauptsächlich auf die größere Anfälligkeit dieser Länder gegenüber den jüngsten negativen globalen Schocks und die Anspannung an den dortigen Arbeitsmärkten zurückzuführen war. Vor diesem Hintergrund wurden in diesen fünf Ländern deutlich über dem Referenzwert liegende Inflationsraten verzeichnet, während die Teuerung in Schweden nur leicht darüber lag.
Die längerfristige Preisentwicklung hat das volatile gesamtwirtschaftliche Umfeld widergespiegelt, insbesondere in den vergangenen fünf Jahren. In den zurückliegenden zehn Jahren gab es sowohl bei der Durchschnittsrate als auch bei der Volatilität der Teuerung erhebliche Unterschiede zwischen den untersuchten Ländern (siehe Abbildung 3.7). Im genannten Zeitraum war die durchschnittliche Inflation in allen untersuchten Ländern durchweg höher als im Euroraum insgesamt. Zunächst war die Teuerung von 2014 bis 2016 in allen Ländern verhalten, was vornehmlich auf die Entwicklung der globalen Rohstoffpreise, den geringen importierten Inflationsdruck, und in einigen Staaten auf die anhaltend hohen Kapazitätsreserven, die Senkung administrierter Preise und indirekter Steuern und eine Stärkung des nominalen effektiven Wechselkurses zurückzuführen war. Angesichts dessen wurden die geldpolitischen Zügel beträchtlich gelockert. Ab 2017 nahm die Teuerung infolge der Konjunkturbelebung, der soliden Binnennachfrage, der zunehmend angespannten Arbeitsmarktlage und der steigenden Energie- und Rohstoffpreise erheblich zu, woraufhin es in einigen der untersuchten Länder zu einer Straffung der Geldpolitik kam. Der Ausbruch der Pandemie 2020 führte im genannten Jahr zu einem Konjunktureinbruch. In einigen Staaten schwächte sich die Inflation ab. In anderen Ländern blieb sie indes persistenter, was auf höhere Nahrungsmittel- und Dienstleistungspreise sowie die Anspannung am Arbeitsmarkt zurückzuführen war. Die Inflationsrate stieg 2021 und 2022 in allen untersuchten Ländern erheblich an. Maßgeblich hierfür waren vor allem starke Energiepreissteigerungen und die pandemiebedingten Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage sowie die gesamtwirtschaftlichen Politikmaßnahmen. Seit Anfang 2022 hat der Krieg Russlands gegen die Ukraine den Inflationsdruck noch verstärkt. Um diesen Inflationsanstieg zu bekämpfen, begannen die meisten Zentralbanken 2021 damit, ihre Leitzinsen deutlich zu erhöhen, während die Regierungen diskretionäre finanzpolitische Stützungsmaßnahmen einführten, um die Belastung der Wirtschaft durch die hohe Inflation abzumildern. In den untersuchten Ländern konzentrierten sich diese Maßnahmen auf die Jahre 2022 und 2023. Hierbei handelte es sich primär um höhere Subventionen (die sich hauptsächlich auf Energieerzeugnisse bezogen) sowie – in geringerem Maße – um niedrigere indirekte Steuern. Die Teuerung erreichte gegen Ende 2022/Anfang 2023 ihren Höchststand und begann danach deutlich zu sinken. Verantwortlich für diesen Rückgang waren die vorangegangene geldpolitische Straffung, weltweit sinkende Energiepreise sowie die Abschwächung des Preisdrucks auf den vorgelagerten Stufen und der Lieferengpässe. Angesichts der nachlassenden Inflationsdynamik begannen die Zentralbanken der Tschechischen Republik, Ungarns und Polens damit, ihren geldpolitischen Kurs zu lockern. Parallel dazu wurden die finanzpolitischen Stützungsmaßnahmen in allen betrachteten Ländern schrittweise zurückgenommen.
Abbildung 3.7
Langfristige Entwicklung der HVPI-Inflationsrate und Ausblick
Die meisten betrachteten Länder waren den jüngsten globalen Schocks in besonderem Maße ausgesetzt, was vornehmlich mit bestimmten strukturellen Gegebenheiten ihrer Volkswirtschaften zusammenhing. Die mittel- und osteuropäischen Länder verzeichneten wesentlich höhere Inflationsraten als das Eurogebiet und Schweden, was auf ihre Anfälligkeit gegenüber den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine und die damit verbundenen geopolitischen Veränderungen zurückzuführen war. Erstens weist die Produktion in diesen Ländern in der Regel eine höhere Energieintensität als im Euroraum auf. Ausschlaggebend hierfür ist in erster Linie, dass dort die energieintensiven Sektoren (d. h. verarbeitendes Gewerbe und Verkehr) größer sind und es weniger energieeffiziente Geräte und Gebäude gibt. Zweitens weisen die Warenkörbe dieser Länder gegenüber dem Eurogebiet einen höheren Anteil an Energie und Nahrungsmitteln auf; dies ist in Volkswirtschaften mit niedrigeren Durchschnittseinkommen häufig der Fall. Drittens war dort die Abhängigkeit von russischer Energie vor Ausbruch des Krieges in den meisten Fällen besonders hoch, sodass diese Länder anfälliger gegenüber Störungen der Energieversorgung waren. Viertens sind diese Volkswirtschaften sehr stark in die globalen Lieferketten integriert; dies lässt darauf schließen, dass sich globale Lieferengpässe dort stärker auswirken. Zwar waren außenwirtschaftliche Schocks maßgebend für die anfänglichen Inflationsunterschiede, aber binnenwirtschaftliche Faktoren spielten ebenfalls eine bedeutende Rolle. So sind vor allem die Arbeitsmarktbedingungen in den meisten untersuchten Ländern weiterhin angespannt; die Arbeitslosenquoten befinden sich auf einem historisch niedrigen Niveau, und der anhaltende Arbeitskräftemangel führt zu einem robusten Lohnwachstum (siehe Abbildung 3.8, Grafik a, sowie Abschnitt 3.5).
Abbildung 3.8
Kumulierter Anstieg des HVPI, der nominalen Lohnstückkosten und der Harmonisierten Indikatoren der preislichen Wettbewerbsfähigkeit (HCIs) im Zeitraum 2014-2023
a) HVPI und nominale Lohnstückkosten | b) HCIs auf Basis der Lohnstückkosten und des BIP-Deflators |
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Quellen: Eurostat und EZB.
Anmerkung: Grafik a zeigt den kumulierten Anstieg der Lohnstückkosten auf der y-Achse und den kumulierten Anstieg des HVPI auf der x-Achse; Grafik b zeigt den kumulierten HCI-Anstieg auf Basis des BIP-Deflators auf der x-Achse sowie den kumulierten HCI‑Anstieg auf Basis der gesamten Lohnstückkosten auf der y-Achse. Die durchgezogenen Linien sind jeweils die Winkelhalbierenden und stellen damit ein ausgeglichenes Verhältnis dar. Der HVPI-Anstieg wird anhand von Monatsdaten berechnet, die zu durchschnittlichen Jahresdaten aggregiert werden. Die HCIs auf Basis des BIP-Deflators für einzelne Länder werden bezogen auf die 20 Euro-Länder und die EWK-41-Gruppe von Handelspartnern berechnet; die HCIs auf Basis der gesamten Lohnstückkosten für einzelne Länder werden bezogen auf die 20 Euro-Länder und die EWK-18-Gruppe von Handelspartnern berechnet. Für den Euroraum werden die HCIs auf Basis des BIP-Deflators bzw. der gesamten Lohnstückkosten bezogen auf die EWK-41-Gruppe bzw. die EWK-18-Gruppe von Handelspartnern berechnet. Die roten Punkte stehen für die untersuchten Länder (jeweils gekennzeichnet), die grünen Punkte stehen für Länder, die dem Euroraum seit 2003 beigetreten sind (nicht gekennzeichnet), die hellblauen Punkte stehen für Länder, die dem Euroraum vor 2003 beigetreten sind (nicht gekennzeichnet), der graue Punkt steht für Dänemark, und der dunkelblaue Punkt steht für das Euroraum-Aggregat.
Obwohl im Verlauf des Prognosezeitraums eine weitere Abschwächung des Inflationsdrucks erwartet wird, bestehen auf längere Sicht Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in der Mehrzahl der untersuchten Länder. Der Frühjahrsprognose 2024 der Europäischen Kommission zufolge wird die Inflation 2024 – verglichen mit dem Stand 2023 – in allen untersuchten Ländern sinken, und zwar infolge der weiteren Abschwächung des Preisdrucks auf den vorgelagerten Stufen und der Lieferengpässe sowie der vorangegangenen geldpolitischen Straffung. Allerdings dürfte die Inflation in Ungarn, Polen und Rumänien 2024 und 2025 aufgrund der sich belebenden Binnennachfrage und des starken Arbeitskostenanstiegs auf erhöhtem Niveau bleiben. Für Schweden wird indes davon ausgegangen, dass sich die Teuerung bereits 2024 dem Inflationsziel annähern wird. Diese Prognosen unterliegen angesichts der gegenwärtigen Umstände einer beträchtlichen Unsicherheit. Die Risiken für die Inflationsaussichten sind in fast allen betrachteten Ländern aufwärtsgerichtet, da erneute globale Lieferengpässe und Spannungen an den Energiemärkten einen unerwarteten Inflationsschub auslösen könnten. Eine derartige Entwicklung könnte angesichts der angespannten Arbeitsmarktlage auch einen zusätzlichen Aufwärtsdruck auf die Löhne ausüben. Da das Pro-Kopf-BIP und das Preisniveau in allen betrachteten mittel- und osteuropäischen Ländern nach wie vor niedriger sind als im Euroraum, dürfte der Aufholprozess auf längere Sicht zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem Eurogebiet führen, sofern dem nicht ein Anstieg des nominalen Wechselkurses entgegenwirkt.
Um in den hier untersuchten Ländern ein Umfeld zu schaffen, das der Preisstabilität auf Dauer zuträglich ist, bedarf es einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik, struktureller Reformen und Maßnahmen zur Sicherung der Finanzstabilität. Um ein der Preisstabilität förderliches Umfeld zu schaffen oder zu wahren, sind funktionierende Arbeitsmärkte von entscheidender Bedeutung. Mit Blick auf die Zukunft wird es vor allem darauf ankommen, wie die Löhne auf die hohe Inflation reagieren, inwiefern sie das Wachstum der Arbeitsproduktivität widerspiegeln und wie sie die Lage am Arbeitsmarkt sowie die Entwicklung der preislichen und kostenmäßigen Wettbewerbsfähigkeit in konkurrierenden Ländern berücksichtigen (siehe Abbildung 3.8). Es sind fortwährende Reformanstrengungen vonnöten, um die Funktionsweise der Arbeits- und Gütermärkte weiter zu verbessern und günstige Rahmenbedingungen für das Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum aufrechtzuerhalten. Zu diesem Zweck sind Maßnahmen zur Stärkung des Steuerungsrahmens und weitere qualitative Verbesserungen der Institutionen unumgänglich. Angesichts des begrenzten geldpolitischen Handlungsspielraums (insbesondere im Fall Bulgariens, das am WKM II teilnimmt), ist die Unterstützung durch andere Politikbereiche zwingend erforderlich, um es diesen Volkswirtschaften zu ermöglichen, Preisstabilität zu gewährleisten, länderspezifische Schocks zu bewältigen und den Aufbau makroökonomischer Ungleichgewichte zu verhindern.
3.2 Das Kriterium der öffentlichen Finanzen
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts liegt gegen Rumänien nach wie vor ein Beschluss des Rates der EU über das Bestehen eines übermäßigen Defizits vor. Drei weitere Staaten verzeichneten 2023 ein Defizit oberhalb des Referenzwerts von 3 % des BIP. 2019 überstieg Rumäniens Haushaltsdefizit den Referenzwert, sodass sich das Land seit April 2020 in einem Verfahren bei einem übermäßigen Defizit befindet. In dessen Verlauf wurde das Jahr 2024 als Frist für die Korrektur des übermäßigen Defizits festgelegt. 2023 wiesen vier der hier untersuchten Länder eine Defizitquote oberhalb des Referenzwerts auf. In der Tschechischen Republik lag sie mit 3,7 % über dem Referenzwert, in Polen mit 5,1 % deutlich darüber und in Rumänien und Ungarn mit 6,6 % bzw. 6,7 % erheblich oberhalb des Referenzwerts. In Bulgarien und Schweden blieb sie mit 1,9 % bzw. 0,6 % deutlich unterhalb des Referenzwerts.
Das Haushaltsdefizit von vier untersuchten Ländern war 2023 niedriger als 2021. Ursächlich hierfür sind die Konjunkturerholung nach der Covid-19-Pandemie und das Auslaufen der pandemiebedingten finanzpolitischen Maßnahmen. In allen betrachteten Ländern mit Ausnahme Schwedens überstieg das Defizit 2020 den Referenzwert von 3 %, da sich die Konjunktur infolge der Pandemie erheblich eintrübte und finanzpolitische Maßnahmen zur Abfederung der Effekte ergriffen wurden. 2021 lag das Defizit in vier Berichtsländern weiterhin über dem Referenzwert. 2022 verbesserte sich der Finanzierungssaldo der meisten Länder, da sich ihre Volkswirtschaften weiter erholten und sie ihre finanzpolitischen Stützungsmaßnahmen zum Teil einstellten. Gegenläufig wirkten 2023 teilweise die anhaltenden wirtschaftlichen Folgen von Russlands Krieg gegen die Ukraine, die Maßnahmen der Finanzpolitik, die als Reaktion auf die kriegsbedingt hohen Energiepreise ergriffen wurden, sowie die schwächelnde Konjunktur. Dadurch verschlechterte sich 2023 in fünf Ländern der staatliche Finanzierungssaldo gegenüber dem Vorjahr. Besonders ausgeprägt war dies in Polen, wo das Haushaltsdefizit 2023 seinen Stand von 2021 um 3,3 Prozentpunkte überstieg.
Für 2024 prognostiziert die Europäische Kommission, dass das Defizit in Ungarn, Polen und Rumänien oberhalb des Referenzwerts von 3 % des BIP bleiben wird. In vier Ländern wird sich der Finanzierungssaldo 2024 laut Kommission verschlechtern. In Ungarn und Polen dürfte das Defizit deutlich, in Rumänien erheblich über dem Referenzwert bleiben. In der Tschechischen Republik dürfte es aber wieder auf einen Stand unterhalb des Referenzwerts von 3 % sinken.
Im Jahr 2023 betrug die Staatsverschuldung in Ungarn mehr als 60 % des BIP, während sie in den anderen betrachteten Ländern unterhalb oder deutlich unterhalb dieser Obergrenze lag (siehe Tabelle 3.1 und Abbildung 3.4). Die Schuldenquote lag 2023 in vier untersuchten Ländern unter dem Stand von 2021, was in erster Linie auf die Konjunkturerholung nach der Pandemie zurückzuführen war. In der Tschechischen Republik stieg die Schuldenquote deutlich um 2,0 Prozentpunkte und in Rumänien leicht um 0,3 Prozentpunkte. In Schweden, Polen, Ungarn und Bulgarien ging sie zurück, und zwar um 5,5 Prozentpunkte, 4,0 Prozentpunkte, 3,2 Prozentpunkte bzw. 0,8 Prozentpunkte. In der längerfristigen Betrachtung (2014 bis 2023) stieg die Schuldenquote in Rumänien erheblich (um 9,7 Prozentpunkte) und in der Tschechischen Republik merklich (um 2,1 Prozentpunkte), während sie in den anderen Ländern sank.
Für 2024 prognostiziert die Europäische Kommission einen Anstieg der Schuldenquote in allen untersuchten Ländern. In Polen und Rumänien dürfte sie merklich, in den anderen vier Ländern moderat steigen. Die Kommission rechnet damit, dass die Staatsverschuldung 2024 in allen Ländern außer Ungarn unter bzw. deutlich unter dem Referenzwert von 60 % des BIP bleiben wird.
Im Juni 2024 befand die Europäische Kommission, dass Rumänien keine wirksamen Maßnahmen zur Korrektur des übermäßigen Defizits ergriffen hat und dass Ungarn und Polen das Defizitkriterium des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht eingehalten haben. Am 19. Juni 2024 veröffentlichte die Kommission einen Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV für zwölf Mitgliedstaaten (darunter die Tschechische Republik, Ungarn und Polen) auf der Grundlage von Daten, die Eurostat am 22. April 2024 bestätigt hatte.[149] Diesem Bericht zufolge lag die Defizitquote in der Tschechischen Republik, Ungarn und Polen 2023 über und nicht nahe dem Referenzwert von 3 %; des Weiteren planen Ungarn und Polen für 2024 ein Defizit über und nicht nahe dem Referenzwert. Die Überschreitung des Referenzwerts wurde in allen drei Ländern nicht als Ausnahme im Sinne des AEU-Vertrags betrachtet; in Ungarn und Polen wird nicht erwartet, dass sie vorübergehend ist. Im Fall der Tschechischen Republik wurde die Überschreitung als vorübergehend eingestuft, da das für 2024 und 2025 prognostizierte Defizit nicht über dem Referenzwert liegt. Insgesamt befand die Kommission, dass das Defizitkriterium weder von Ungarn noch von Polen erfüllt wurde, die Tschechische Republik dieses aber einhielt. Auf der Grundlage dieses Berichts beabsichtigt die Kommission, dem Rat im Juli 2024 vorzuschlagen, nach Artikel 126 Absatz 6 AEUV einen Beschluss über das Vorliegen eines übermäßigen Defizits in Ungarn und Polen zu fassen. Es ist damit zu rechnen, dass die Kommission dem Rat im Herbst 2024 Vorschläge für Empfehlungen zur Korrektur der übermäßigen Defizite vorlegen wird. Darüber hinaus stellte die Kommission fest, dass Rumänien das Defizitziel seines laufenden Defizitverfahrens im Jahr 2023 verfehlte und die Konsolidierungsanstrengungen deutlich hinter der Ratsempfehlung zurückblieben. Auf dieser Grundlage veröffentlichte die Kommission eine Empfehlung für einen Ratsbeschluss mit der Feststellung, dass Rumänien keine wirksamen Maßnahmen ergriffen hat, um das übermäßige Defizit spätestens 2024, wie vom Rat nach Artikel 126 Absatz 7 AEUV empfohlen, zu korrigieren.
Für die Zukunft kommt es entscheidend darauf an, dass die Staaten, die Gegenstand dieses Berichts sind, solide und tragfähige öffentliche Finanzen erzielen bzw. beibehalten. Rumänien befindet sich in einem Defizitverfahren und weist laut dem Schuldentragfähigkeitsmonitor 2023 (Debt Sustainability Monitor) der Europäischen Kommission auf mittlere Sicht hohe Tragfähigkeitsrisiken für die Staatsfinanzen auf. Das Land sollte sicherstellen, dass es den Stabilitäts- und Wachstumspakt einhält, und sein übermäßiges Defizit gemäß der Empfehlung des Rates korrigieren.[150] In allen hier betrachteten Ländern mit Ausnahme Schwedens war das Haushaltsdefizit 2023 eindeutig höher als vor der Pandemie. Diese Staaten sollten ihren Finanzierungssaldo so bald wie möglich wieder auf einen Stand unterhalb des Referenzwerts von 3 % senken bzw. ihn auf einem solchen Stand halten. Ferner sollten sie die erforderlichen fiskalischen Reserven aufbauen, um die automatischen Stabilisatoren wirken lassen zu können und die Widerstandsfähigkeit gegenüber negativen Schocks zu erhöhen. Darüber hinaus sollte Ungarn sicherstellen, dass seine über dem Referenzwert liegende Schuldenquote hinreichend rückläufig ist und auf diese Weise fiskalische Reserven für einen etwaigen künftigen Konjunkturabschwung verfügbar sind. Alle Länder müssen dafür sorgen, dass die Regeln des überarbeiteten Stabilitäts- und Wachstumspakts eingehalten werden, in dessen Rahmen für die Zeit ab 2025 Empfehlungen ausgesprochen werden. Generell würde eine weitere Haushaltskonsolidierung die Bewältigung der Belastungen, die den öffentlichen Haushalten aus der ungünstigen demografischen Entwicklung erwachsen, erleichtern. Strikte nationale Haushaltsregeln, die vollständig im Einklang mit den EU-Vorschriften stehen und effektiv umgesetzt werden, sollten zur Haushaltskonsolidierung beitragen und ein übermäßiges Ausgabenwachstum sowie ein erneutes Auftreten gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte verhindern. Insgesamt sollten die finanzpolitischen Strategien mit der Neuordnung von Investitionsprioritäten sowie mit umfassenden Strukturreformen vereinbar sein, um das Potenzialwachstum und die Beschäftigung zu steigern. Das NGEU-Programm muss effizient und wirksam umgesetzt werden, um die Wirtschaftsentwicklung zu unterstützen und die Anpassung an den gegenwärtigen Strukturwandel zu fördern.
3.3 Das Wechselkurskriterium
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts nimmt nur der bulgarische Lew am WKM II teil. Für die Währungen der anderen hier betrachteten Mitgliedstaaten gelten unterschiedliche Wechselkursregime.
Am 10. Juli 2020 beschlossen die Vertragsparteien des WKM II im gegenseitigen Einvernehmen, den bulgarischen Lew in den WKM II aufzunehmen; er nahm daher während des zweijährigen Beobachtungszeitraums vom 20. Juni 2022 bis zum 19. Juni 2024 am WKM II teil. Für den bulgarischen Lew gilt im WKM II ein Leitkurs von 1,95583 Lewa je Euro mit einer Standardschwankungsbandbreite von ±15 %. Bulgarien trat dem WKM II mit seinem bestehenden Currency Board im Rahmen einer einseitigen Bindung bei, aus der keine zusätzlichen Verpflichtungen für die EZB erwachsen. Die Vereinbarung über die Teilnahme am WKM II beruhte auf einer Reihe politischer Zusagen der bulgarischen Behörden (einige davon waren bereits bei Aufnahme des Lew in den WKM II erfüllt). So soll bis zum Zeitpunkt der Euro-Einführung ein hohes Maß an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz erreicht werden. Die EZB und die Europäische Kommission überwachen im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeitsbereiche im Sinne der Verträge und des Sekundärrechts die effektive Umsetzung der Verpflichtungen, die Bulgarien mit dem Beitritt zum WKM II übernommen hat. Als Aufsichtsbehörde und angesichts ihrer Mitverantwortung für die makroprudenzielle Politik verfolgt die EZB sehr aufmerksam die Umsetzung der Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Finanzsektor – d. h. des Insolvenzrahmens und des Rahmens zur Geldwäschebekämpfung –, die aufsichtsrelevante Auswirkungen haben können. Bulgarien arbeitet derzeit auf die Erfüllung dieser Verpflichtungen hin und ist gehalten, seine Bemühungen zur Umsetzung der Vorgaben des Aktionsplans zu beschleunigen. Dieser Aktionsplan wurde von der Financial Action Task Force (FATF) verabschiedet, nachdem Bulgarien im Oktober 2023 in die Liste der Länder aufgenommen worden war, die unter verstärkter Beobachtung stehen (Graue Liste). Im Referenzzeitraum wies der Lew keine Abweichung vom Leitkurs auf.
Die nicht am WKM II teilnehmenden Währungen wurden zu flexiblen Wechselkursen oder mit einem kontrollierten Floating gehandelt; dabei war in den meisten Fällen eine relativ hohe Wechselkursvolatilität zu verzeichnen. Der rumänische Leu, bei dem ein kontrolliertes Floating Anwendung fand, wies eine geringe Volatilität auf. Die anderen Währungen, die nicht am WKM II teilnahmen, wurden zu flexiblen Wechselkursen gehandelt und waren von einer relativ hohen Volatilität geprägt. Die tschechische Krone, der rumänische Leu und die schwedische Krone notierten im Juni 2024 schwächer gegenüber dem Euro als im Juni 2022; der Kurs des ungarischen Forint blieb unterdessen nahezu unverändert, während der polnische Zloty an Wert gewann.
3.4 Das Kriterium des langfristigen Zinssatzes
Drei der sechs geprüften Länder verzeichneten im Referenzzeitraum im Durchschnitt langfristige Zinssätze, die oberhalb des Referenzwerts von 4,8 % lagen. Die Länder mit den niedrigsten durchschnittlichen Langfristzinsen waren Schweden mit 2,5 % und Bulgarien mit 4,0 %. In der Tschechischen Republik wurde mit 4,2 % im Schnitt ebenfalls ein langfristiger Zinssatz unterhalb des Referenzwerts verzeichnet, während die entsprechenden Zinsen in Polen und Rumänien mit 5,6 % bzw. 6,4 % weiterhin darüber lagen. Der höchste durchschnittliche langfristige Zinssatz wurde mit 6,8 % in Ungarn verbucht. Aufgrund des zunehmenden Inflationsdrucks nach dem anfänglichen Schock im Zusammenhang mit den Auswirkungen des russischen Einmarschs in die Ukraine stieg der Zwölfmonatsdurchschnitt der Langfristzinsen im Jahr 2022 weiter an. Seit Anfang 2023 scheinen sich die langfristigen Zinsen in allen Ländern stabilisiert oder sogar etwas verringert zu haben, wenngleich das Zinsniveau in fast allen Ländern immer noch hoch ist.
Die Differenz der Langfristzinsen gegenüber dem Durchschnitt des Euro‑Währungsgebiets verringerte sich seit dem Konvergenzbericht 2022 in allen betrachteten Ländern mit Ausnahme Bulgariens. Gleichwohl fällt der Abstand der langfristigen Zinsen gegenüber dem Euroraum in den untersuchten Ländern nach wie vor sehr unterschiedlich aus. Grund hierfür ist, dass die konjunkturelle Lage der einzelnen Staaten und die Einschätzungen der Finanzmarktteilnehmer hinsichtlich der jeweiligen außen- und binnenwirtschaftlichen Anfälligkeit unter Berücksichtigung der Haushaltsentwicklung und der Aussichten für eine dauerhafte Konvergenz voneinander abweichen. Im Mai 2024 lag der langfristige Zinssatz in Bulgarien 60 Basispunkte über dem Niveau im Euroraum, was einem Anstieg der Zinsdifferenz um 0,9 Prozentpunkte gegenüber dem Stand zu Beginn des Berichtszeitraums im Mai 2022 entspricht. Diese Entwicklung hängt vermutlich mit dem sich aus politischer Instabilität ergebenden Länderrisiko zusammen, da sich Bulgariens Bankensystem überwiegend im Eigentum von Kreditinstituten mit Sitz im Eurogebiet befindet und die Zentralbank ein Currency Board anwendet, wodurch in Bulgarien de facto die geldpolitischen Bedingungen des Euroraums gelten. In Ungarn, Polen, der Tschechischen Republik und Rumänien verringerte sich die Zinsdifferenz im Beobachtungszeitraum am stärksten, und zwar um 1,8 bis 2,9 Prozentpunkte. Den geringsten Rückgang der Zinsdifferenz verzeichnete Schweden mit 0,8 Prozentpunkten.
3.5 Sonstige einschlägige Faktoren
Der Europäischen Kommission zufolge haben die Bedenken hinsichtlich des Drucks auf die kostenmäßige Wettbewerbsfähigkeit erheblich zugenommen. In ihrem Warnmechanismus-Bericht 2024 verwies die Europäische Kommission – vor dem Hintergrund großer kumulierter Inflationsunterschiede und einer angespannten Arbeitsmarktlage – insbesondere auf den erheblichen Anstieg der nominalen Lohnstückkosten in den betrachteten mittel- und osteuropäischen Ländern. Sie gelangte zu dem Schluss, dass Ungarn, Rumänien und Schweden einer eingehenden Überprüfung unterzogen werden sollten. Mit Blick auf Ungarn befand die Kommission, dass es noch Bedenken hinsichtlich des hohen Preis- und Kostendrucks, des staatlichen Finanzierungsbedarfs und des Außenfinanzierungsbedarfs wie auch der Wohnimmobilienpreise gibt. In Bezug auf Rumänien stellte die Kommission fest, dass die Bedenken hinsichtlich der kostenmäßigen Wettbewerbsfähigkeit, der außenwirtschaftlichen Tragfähigkeit und des staatlichen Defizits nach wie vor erheblich sind. Im Fall Schwedens befand die Kommission, dass nach wie vor Bedenken hinsichtlich der Preise für Wohnimmobilien sowie der hohen Verschuldung der privaten Haushalte und der Unternehmen bestehen. Obschon die Kommission in den übrigen im vorliegenden Bericht betrachteten Ländern keine Ungleichgewichte festgestellt hat, bestehen auch in diesen Ländern verschiedene Herausforderungen. Die Europäische Kommission bestätigte in ihrem im Rahmen des Europäischen Semesters veröffentlichten Frühjahrspaket 2024, dass in Ungarn und Schweden weiterhin Ungleichgewichte vorhanden sind. In Rumänien gibt es laut dem Bericht übermäßige Ungleichgewichte, nachdem das Land bis 2023 Ungleichgewichte aufgewiesen hatte. Grund hierfür war, dass noch immer Anfälligkeiten in Bezug auf die Außenhandelsbilanz, vor allem im Zusammenhang mit hohen und weiter zunehmenden staatlichen Defiziten, bestehen und sich gleichzeitig der deutliche Preis- und Kostendruck erhöht hat, während die Maßnahmen der Politik schwach ausfielen.
Die außenwirtschaftlichen Positionen der meisten hier untersuchten Länder haben sich in den vergangenen Jahren verschlechtert. Aus dem Scoreboard zur Überwachung gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte geht hervor, dass die Leistungsbilanzsalden im Dreijahresdurchschnitt in den meisten Staaten 2023 weiter ins Negative sanken (siehe Tabelle 3.2). Die Ausweitung der Defizite spiegelte die stark steigenden Rohstoffpreise wider, wodurch sich die Terms of Trade verschlechterten; zugleich blieb die Binnennachfrage widerstandsfähig, und die Importnachfrage wichtiger Handelspartner war schwach. In Rumänien lag das Leistungsbilanzdefizit im Dreijahresdurchschnitt 2023 unter dem indikativen Schwellenwert von -4,0 % des BIP und in Ungarn bei -4,0 % des BIP. In Schweden lag es über dem indikativen Schwellenwert von 6,0 %.
In den meisten Ländern verringerten sich zwar die negativen Werte des Netto‑Auslandsvermögensstatus gemessen am BIP, sie lagen aber weiterhin auf hohem Niveau. Die Nettoverbindlichkeiten der mittel- und osteuropäischen Länder gegenüber dem Ausland spiegeln vorwiegend Kapitalzuflüsse aus Direktinvestitionen wider, die als vergleichsweise stabile Finanzierungsform gelten. Im Jahr 2023 hatten Ungarn und Rumänien einen Netto-Auslandsvermögensstatus jenseits des indikativen Schwellenwerts von -35 % des BIP. Die Nettoverbindlichkeiten gegenüber dem Ausland fielen in Polen (31,5 % des BIP), der Tschechischen Republik (13,2 % des BIP) und Bulgarien (7,6 % des BIP) niedriger aus, während Schweden einen positiven Wert beim Netto‑Auslandsvermögensstatus verbuchte (33,2 % des BIP).
Was die preisliche und kostenmäßige Wettbewerbsfähigkeit anbelangt, so stiegen die mit dem HVPI deflationierten realen effektiven Wechselkurse in vielen der untersuchten Länder von 2021 bis 2023 in unterschiedlichem Maße an, wobei Schweden eine Ausnahme bildete. Die dreijährige Wachstumsrate der Lohnstückkosten wies in fast allen Ländern ein sehr hohes Niveau auf. Mit Ausnahme Schwedens lag sie 2023 über dem indikativen Schwellenwert von 12 %. In Bulgarien, Ungarn und Rumänien stiegen die Lohnstückkosten um mehr als das Doppelte des Schwellenwerts. Trotz einer Verschlechterung der preislichen und kostenmäßigen Wettbewerbsfähigkeit konnten alle Länder im Jahr 2023 und auch über einen mehrjährigen Zeithorizont (etwa aufgrund der Ausweitung der Produktionskapazitäten für den Export) ihre Exportmarktanteile etwas ausbauen.
Die Volkswirtschaften der untersuchten Länder sind über Handels- und Finanzbeziehungen weiterhin eng mit dem Euroraum verflochten. Das Euro-Währungsgebiet ist der wichtigste Handels- und Finanzpartner aller untersuchten Länder (siehe Abbildung 3.9). Im Jahr 2023 betrug der Anteil der Warenausfuhren in den Euroraum an den gesamten Warenausfuhren rund 40,7 % (Schweden) bis 62,4 % (Tschechische Republik). Der Anteil der Einfuhren aus dem Euroraum lag in dieser Zeit zwischen 41,8 % der gesamten Einfuhren in Bulgarien und 55,8 % in Polen. Mit Blick auf die Finanzbeziehungen belief sich der Anteil des Euroraums am Bestand ausländischer Direktinvestitionen in der Tschechischen Republik, Rumänien und Polen auf mehr als 70 %, während in Bulgarien der Anteil des Eurogebiets an den Verbindlichkeiten bei den Wertpapieranlagen über diesem Schwellenwert lag. Sowohl bei den Direktinvestitionen als auch bei den Wertpapieranlagen war der Anteil des Euroraums an den Auslandsforderungen in Rumänien am höchsten, gefolgt von der Tschechischen Republik. Darüber hinaus spielen Banken, die sich im Eigentum von Finanzinstituten mit Sitz im Eurogebiet befinden, eine wichtige Rolle im Bankensystem der untersuchten mittel- und osteuropäischen Länder. Dies trifft insbesondere auf Bulgarien, die Tschechische Republik und Rumänien zu. Insgesamt verlaufen die Konjunkturzyklen aller untersuchten Länder nach wie vor mit jenem des Euroraums in hohem Maße synchron.
Abbildung 3.9
Handels- und Finanzverflechtungen mit dem Euroraum
a) Anteil des Warenhandels mit dem Euroraum | b) Anteil des Euroraums am Saldo der Direktinvestitionen und Wertpapieranlagen |
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Quellen: Eurostat und EZB.
Anmerkung: Die Angaben beziehen sich auf das Jahr 2023.
Der Anstieg der Wohnimmobilienpreise hat sich seit 2022 in allen hier untersuchten Ländern abgeschwächt. In den meisten Staaten erhöhten sich die Preise für Wohnimmobilien im Zeitraum von 2021 bis 2022 so stark wie zuletzt vor der globalen Finanzkrise. Seit 2022 wurden die Vergabe von Hypothekarkrediten und die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise in den Ländern durch den erheblichen Anstieg der Finanzierungskosten und das nachlassende Verbrauchervertrauen gedämpft – wenngleich in unterschiedlichem Maße (siehe Abbildung 3.10, Grafik a). In Bulgarien und Polen fiel die Korrektur am Wohnimmobilienmarkt relativ verhalten aus. In Schweden hingegen gingen die Preise für Wohnimmobilien deutlich zurück. Dort bestehen weiterhin hohe Risiken, die sich aus dem erhöhten Niveau der Verschuldung der privaten Haushalte und den hohen Risikopositionen ergeben, die der Bankensektor in Bezug auf Immobilien hält. Durch die höheren Zinssätze kam es vor allem in Ländern wie Polen, Rumänien und Schweden, in denen der Anteil der variabel verzinslichen Hypothekarkredite historisch gesehen hoch ist, zu einem Anstieg der Schuldendienstkosten (siehe Abbildung 3.10, Grafik b). Die Schuldendienstfähigkeit der privaten Haushalte könnte sich künftig weiter verringern, sollten die Energiepreise erneut stark ansteigen, die Zinssätze für längere Zeit auf einem höheren Niveau bleiben oder sich die Lage am Arbeitsmarkt deutlich verschlechtern.
Abbildung 3.10
Wohnimmobilienpreise und Anteil der variabel verzinslichen Hypothekarkredite
a) Wohnimmobilienpreise | b) Anteil der variabel verzinslichen Wohnungsbaukredite |
---|---|
Quellen: Eurostat, EZB und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: In Grafik a sind die Wohnimmobilienpreise in nominaler Rechnung abgebildet. In Grafik b ist der Anteil der neuen Wohnungsbaukredite an private Haushalte mit variabler Verzinsung oder einer anfänglichen Zinsbindung von bis zu einem Jahr gemessen an den gesamten neuen Wohnungsbaukrediten an private Haushalte dargestellt. Der Durchschnitt bezieht sich auf den Zeitraum von Januar 2014 bis April 2024.
In den meisten Ländern erhöhten sich die Fremdwährungsrisiken, während der Bankensektor insgesamt widerstandsfähig blieb. Seit 2022 ist der Anteil der auf Euro lautenden Kredite an Unternehmen erheblich gestiegen (siehe Abbildung 3.11, Grafik a). Diese Entwicklung betrifft insbesondere die Tschechische Republik, Ungarn und Rumänien und spiegelt eine Ausweitung der Zinsdifferenzen gegenüber dem Euroraum wider. Dagegen sind die auf Euro lautenden Kredite an private Haushalte in allen Ländern auf einem relativ niedrigen Niveau geblieben. Eine umfangreiche Euroisierung verringert unter Umständen nicht nur die Wirksamkeit der inländischen Geldpolitik, sondern erhöht auch die Anfälligkeit des Finanzsystems gegenüber Wechselkursausschlägen, da sie zu Währungsinkongruenzen in den Bilanzen des privaten Sektors führen könnte. Die Finanzstabilitätsrisiken aus höheren Fremdwährungspositionen, höheren Zinsen und der anhaltenden Korrektur an den Wohnimmobilienmärkten werden durch die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors eingedämmt, der in allen untersuchten Ländern weiterhin solide Eigenkapitalpositionen und Liquiditätspuffer, einen stabilen Zugang zu Finanzmitteln und eine angemessene Ertragslage aufweist. Zudem sank der Anteil an notleidenden Krediten weiter und lag bzw. blieb in der Nähe des jeweiligen historischen Tiefstands von 2023 (siehe Abbildung 3.11, Grafik b), obgleich er in den meisten Ländern nach wie vor über dem Niveau des Euroraums lag.
Abbildung 3.11
Auf Euro lautende Kredite und notleidende Kredite
a) Anteil der auf Euro lautenden Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften | b) Notleidende Kredite |
---|---|
Quellen: EZB und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die Angaben in Grafik a basieren auf Beständen.
In Bezug auf den Finanzsektor sollten die geprüften Länder eine Politik verfolgen, die einen soliden Beitrag der Finanzbranche zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum und anhaltender Preisstabilität gewährleistet; im Bereich der Bankenaufsicht sollten die Bemühungen auf die Gewährleistung eines finanziell gesunden und widerstandsfähigen Bankensystems als Grundvoraussetzung für den Beitritt zum Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) ausgerichtet sein. Um das Vertrauen in das Finanzsystem noch mehr zu stärken, sollten die nationalen zuständigen Behörden ihre Aufsichtspraxis weiter verbessern, indem sie unter anderem den geltenden Empfehlungen der zuständigen internationalen und europäischen Einrichtungen nachkommen und mit den nationalen Aufsichtsbehörden der anderen EU‑Mitgliedstaaten innerhalb der Aufsichtskollegien eng zusammenarbeiten. Seit dem Inkrafttreten des Rahmens für die enge Zusammenarbeit mit der Българска народна банка (der Bulgarischen Nationalbank) im Jahr 2020 hat die EZB die Zuständigkeit für a) die direkte Aufsicht über die bedeutenden Institute in Bulgarien, b) die gemeinsamen Verfahren für alle beaufsichtigten Unternehmen und c) die indirekte Aufsicht (Oversight) über weniger bedeutende Institute, die weiterhin von der nationalen zuständigen Behörde beaufsichtigt werden, übernommen. Seit der Aufnahme einer engen Zusammenarbeit hat die EZB mit der Българска народна банка (der Bulgarischen Nationalbank) eng kooperiert, um eine reibungslose Integration in den SSM zu gewährleisten.
In den meisten Ländern blieb die Arbeitsmarktlage angespannt. Seit der Veröffentlichung des Konvergenzberichts 2022 hat sich die Arbeitslosenquote in den meisten Staaten leicht erhöht, ist aber in der Nähe des jeweiligen historischen Tiefstands und unter dem Niveau des Euroraums geblieben (siehe Abbildung 3.12, Grafik a). Die meisten Länder waren weiterhin mit einem Arbeitskräftemangel in bestimmten Segmenten des Arbeitsmarkts konfrontiert, der den kräftigen Lohndruck verstärkte. Der Arbeitskräftemangel zeigt sich in einer im Vergleich zum Euroraum ungünstigeren Entwicklung bei den Erwerbspersonen und der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in den betrachteten mittel- und osteuropäischen Ländern (siehe Abbildung 3.12, Grafik b). Diese Entwicklungen sind einer Abwanderung hoch qualifizierter junger Menschen und einer rasch alternden Bevölkerung geschuldet. Weitere strukturelle Herausforderungen am Arbeitsmarkt in einigen Ländern umfassen die geringe Erwerbsbeteiligung (vor allem von Frauen) und die signifikante Diskrepanz zwischen Qualifikationsangebot und ‑nachfrage. Auch wenn die Anspannung am Arbeitsmarkt auf kurze Sicht ein Aufwärtsrisiko für die Lohn- und Inflationsaussichten darstellt, scheinen die Risiken einer Lohn-Preis-Spirale begrenzt zu sein. Grund hierfür sind die weitgehend verankerten längerfristigen Inflationserwartungen, die die Überzeugung der Märkte im Hinblick auf das Bekenntnis der Zentralbanken zur Preisstabilität widerspiegeln. Auf mittlere Sicht stellen ungünstige demografische Entwicklungen und strukturelle Arbeitsmarktprobleme eine große Herausforderung beim weiteren Aufholprozess der mittel- und osteuropäischen Länder gegenüber dem Eurogebiet dar. Besonders ausgeprägt sind die Risiken in Bulgarien und Rumänien, wo die Bevölkerung in den kommenden zehn Jahren weiterhin rasch schrumpfen dürfte.
Abbildung 3.12
Arbeitsmarktindikatoren
a) Arbeitslosenquote | b) Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter |
---|---|
Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die Angaben in Grafik b beziehen sich auf die prozentuale Veränderung vom ersten Quartal 2014 bis zum vierten Quartal 2023 (blaue Balken) bzw. vom ersten Quartal 2022 bis zum vierten Quartal 2023 (gelbe Balken).
Auch die Stärke des institutionellen Umfelds spielt bei der Analyse der Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Integration und Konvergenz eine wichtige Rolle. So können eine geringe institutionelle Qualität sowie eine unzureichende wirtschafts- und finanzpolitische Steuerung beispielsweise mit schwachen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, einer ineffizienten öffentlichen Verwaltung, Steuerhinterziehung, Korruption, einem Mangel an sozialer Teilhabe, mangelnder Transparenz, mangelnder Unabhängigkeit des Justizwesens und/oder mit einem schlechten Zugang zu Onlinediensten verbunden sein. In den meisten Ländern würde eine Verbesserung der institutionellen Qualität dazu beitragen, bestehende Rigiditäten und Hindernisse, die einer effizienten Allokation und Nutzung der Produktionsfaktoren im Wege stehen, zu beseitigen und somit das langfristige Potenzialwachstum stärken. Wenn das Potenzialwachstum eines Landes durch ein schwaches institutionelles Umfeld behindert wird, kann dies auch die Schuldendienstfähigkeit beeinträchtigen und wirtschaftliche Anpassungen erschweren. Ebenso kann es die Fähigkeit eines Landes zur Umsetzung notwendiger politischer Maßnahmen beeinflussen.
Die Qualität der Institutionen und der wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerung ist in allen geprüften mittel- und osteuropäischen Ländern – insbesondere in Bulgarien, Rumänien und Ungarn – relativ schwach. Dies kann Risiken für die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit und die Dauerhaftigkeit der Konvergenz bergen. Der Gesamteindruck einer in den meisten Ländern schwachen Qualität der Institutionen und der wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerung wird durch spezifische institutionelle Indikatoren überwiegend bestätigt, wenngleich bei einigen der Länder in den vergangenen Jahrzehnten eine Verbesserung festzustellen war (siehe Abbildung 3.13).[151] In dieser Hinsicht gehören Bulgarien, Rumänien und Ungarn zu den Ländern in der EU, die vor den größten Herausforderungen stehen. Die Umsetzung der im Rahmen des jeweiligen Aufbau- und Resilienzplans vorgesehenen Reformen würde zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und der wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerung in diesen Ländern beitragen.
Abbildung 3.13
Übersicht über die EU-Länder in Bezug auf die institutionelle Qualität
a) Worldwide Governance Indicators | b) Corruption Perceptions Index |
---|---|
Quellen: Worldwide Governance Indicators 2023 (Weltbank), Transparency International und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: In Grafik a wird der Index als Durchschnitt der Perzentil-Scorewerte (gemessen an der Skala) der folgenden Worldwide Governance Indicators berechnet: Mitspracherecht und Verantwortlichkeit, politische Stabilität und Fehlen von Gewalt und Terrorismus, Wirksamkeit der Regierungshandelns, Regulierungsqualität, Rechtsstaatlichkeit und Korruptionskontrolle. In Grafik b ist der Corruption Perceptions Index abgebildet, der die Länder nach ihrem wahrgenommenen Korruptionsgrad des öffentlichen Sektors auf einer Skala von 0 (sehr korrupt) bis 100 (einwandfrei) einstuft. Die Referenzjahre für Zypern und Malta sind beim Corruption Perceptions Index 2003 bzw. 2004. Die roten Punkte stehen für die untersuchten Länder, die grünen Punkte stehen für die Länder, die dem Euroraum seit 2003 beigetreten sind, die hellblauen Punkte stehen für die Länder, die dem Euroraum vor 2003 beigetreten sind, und der graue Punkt steht für Dänemark.
In den meisten untersuchten Ländern sind weitreichende Strukturreformen erforderlich, um das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Durch eine Verbesserung der lokalen Institutionen, der wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerung und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie weitere Fortschritte bei der Reform und Privatisierung staatlicher Unternehmen und der effizienten Absorption von Mitteln aus dem EU-Haushalt ließe sich das Produktivitätswachstum beschleunigen. Dies würde wiederum den Wettbewerb in wichtigen regulierten Sektoren (z. B. Energie und Transport) befördern, Zugangsbeschränkungen verringern und dringend benötigte private Investitionen anregen.
Tabelle 3.2
Scoreboard für die Überwachung makroökonomischer Ungleichgewichte
Tabelle 3.2a – Außenwirtschaftliche Ungleichgewichte und Indikatoren der Wettbewerbsfähigkeit
Leistungsbilanzsaldo1) | Netto-Auslands-vermögensstatus2) | Realer effektiver Wechselkurs, mit HVPI deflationiert3) | Anteil an den weltweiten Ausfuhren4) | Nominale Lohnstückkosten5) | |
---|---|---|---|---|---|
Bulgarien | |||||
2020 | 1,0 | -25,6 | 7,0 | 15,4 | 19,9 |
2021 | 0,1 | -18,6 | 3,7 | 10,9 | 16,4 |
2022 | -1,0 | -12,9 | 5,6 | 14,7 | 23,6 |
2023 | -1,1 | -7,6 | 8,6 | 15,9 | 27,4 |
Tschechische Republik | |||||
2020 | 0,9 | -16,3 | 5,5 | 7,8 | 18,7 |
2021 | -0,1 | -14,5 | 5,0 | -2,0 | 13,9 |
2022 | -1,9 | -18,7 | 13,3 | -7,5 | 14,8 |
2023 | -2,4 | -13,2 | 24,1 | 0,6 | 15,8 |
Ungarn | |||||
2020 | -0,5 | -52,5 | -5,1 | 7,1 | 13,6 |
2021 | -2,0 | -53,6 | -4,2 | -3,0 | 12,5 |
2022 | -4,5 | -52,1 | -8,9 | -5,2 | 24,0 |
2023 | -4,0 | -46,6 | 10,3 | 4,4 | 34,0 |
Polen | |||||
2020 | 0,1 | -43,9 | 0,8 | 33,3 | 14,0 |
2021 | 0,3 | -39,8 | -0,7 | 23,3 | 12,1 |
2022 | -0,4 | -33,3 | -0,5 | 15,8 | 15,7 |
2023 | -0,7 | -31,4 | 9,3 | 23,0 | 22,0 |
Rumänien | |||||
2020 | -4,8 | -47,6 | 3,4 | 19,5 | 20,7 |
2021 | -5,7 | -47,0 | 1,1 | 9,2 | 14,7 |
2022 | -7,1 | -40,8 | 2,5 | 6,0 | 16,9 |
2023 | -7,8 | -39,8 | 6,7 | 10,6 | 26,7 |
Schweden | |||||
2020 | 4,6 | 7,4 | -4,8 | 2,8 | 8,1 |
2021 | 6,1 | 19,1 | 2,2 | 0,6 | 4,5 |
2022 | 6,2 | 31,6 | -1,6 | -3,2 | 7,8 |
2023 | 6,5 | 33,7 | -7,3 | 3,7 | 11,1 |
Schwellenwert | -4,0/+6,0 | -35,0 | +/-11,0 | -6,0 | +12,0 |
Tabelle 3.2b – Binnenwirtschaftliche Ungleichgewichte und Indikatoren der Arbeitslosigkeit
Binnenwirtschaftliche Ungleichgewichte | Indikatoren der Arbeitslosigkeit | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Preise für Wohnimmo- | Kredit- | Schulden- | Verbindlich- | Öffentlicher Schulden- | Arbeits- | Erwerbs- | Langzeit- | Jugend- | |
Bulgarien | |||||||||
2020 | 5,2 | 4,2 | 92,1 | 10,5 | 24,6 | 5,8 | 0,9 | -1,2 | 1,3 |
2021 | 2,5 | 4,9 | 84,0 | 10,4 | 23,9 | 5,5 | 0,6 | -1,0 | -0,1 |
2022 | -2,1 | 5,9 | 74,6 | 11,8 | 22,6 | 5,2 | 0,6 | -0,7 | -1,5 |
2023 | 2,7 | . | . | . | 23,1 | 4,6 | 1,8 | -0,4 | -5,3 |
Tschechische Republik | |||||||||
2020 | 5,4 | 0,6 | 81,7 | 4,8 | 37,7 | 2,3 | 0,5 | -0,4 | 0,1 |
2021 | 16,4 | 2,9 | 78,8 | 8,2 | 42,0 | 2,5 | 0,0 | 0,1 | 1,5 |
2022 | 1,6 | 4,5 | 76,0 | 3,2 | 44,2 | 2,5 | 0,5 | 0,0 | 1,2 |
2023 | -10,0 | . | . | . | 44,0 | 2,5 | 0,7 | 0,2 | 0,3 |
Ungarn | |||||||||
2020 | 1,5 | 8,2 | 76,9 | 54,9 | 79,3 | 3,7 | 2,0 | -0,5 | 2,0 |
2021 | 9,6 | 12,9 | 80,9 | 16,9 | 76,7 | 3,8 | 2,1 | -0,1 | 3,6 |
2022 | 5,2 | 9,2 | 79,0 | 8,7 | 74,1 | 3,9 | 2,5 | 0,1 | -0,6 |
2023 | -7,7 | . | . | . | 73,5 | 3,9 | 2,9 | 0,3 | 0,3 |
Polen | |||||||||
2020 | 6,7 | 1,7 | 76,0 | 11,7 | 57,2 | 3,5 | 1,5 | -0,9 | -4,1 |
2021 | 3,5 | 3,7 | 71,2 | 12,9 | 53,6 | 3,3 | 3,5 | -0,1 | 0,1 |
2022 | -1,9 | 3,0 | 63,4 | 3,0 | 49,2 | 3,2 | 3,5 | 0,2 | 1,1 |
2023 | -1,9 | 0,9 | 57,0 | 10,9 | 49,6 | 3,0 | 4,3 | 0,2 | 0,6 |
Rumänien | |||||||||
2020 | 2,3 | 1,3 | 48,1 | 13,4 | 46,7 | 5,4 | 2,3 | -0,6 | -1,4 |
2021 | -0,2 | 3,8 | 47,9 | 14,3 | 48,5 | 5,5 | 3,2 | -0,2 | 0,5 |
2022 | -6,4 | 3,3 | 43,7 | 8,2 | 47,5 | 5,8 | 3,5 | 0,2 | 1,8 |
2023 | -5,9 | 2,0 | 40,4 | 16,7 | 48,8 | 5,6 | 2,7 | 0,4 | 0,2 |
Schweden | |||||||||
2020 | 3,3 | 14,5 | 212,7 | 10,4 | 40,2 | 7,3 | -0,1 | -0,1 | 6,5 |
2021 | 8,1 | 16,2 | 213,5 | 11,2 | 36,7 | 8,1 | 0,1 | 0,9 | 7,9 |
2022 | -3,0 | 10,4 | 208,0 | 3,0 | 33,2 | 8,3 | 0,7 | 1,1 | 2,4 |
2023 | -10,9 | . | . | . | 31,2 | 8,0 | 1,9 | 0,6 | -1,5 |
Schwellenwert | +6,0 | +14,0 | +133,0 | +16,5 | +60,0 | +10,0 | -0,2 | 0,5 | 2,0 |
Quellen: Europäische Kommission (Eurostat, Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen) und Europäisches System der Zentralbanken.
Anmerkung: Die Tabelle enthält die bei Redaktionsschluss am 19. Juni 2024 vorliegenden Daten und weicht daher vom Scoreboard ab, das im November 2023 im Warnmechanismus-Bericht 2024 veröffentlicht wurde.
1) Dreijahresdurchschnitt in % des BIP.
2) In % des BIP.
3) Prozentuale Veränderung in einem Dreijahreszeitraum gegenüber 41 anderen Industrieländern. Ein positiver Wert zeigt einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit an.
4) Prozentuale Veränderung in einem Fünfjahreszeitraum.
5) Prozentuale Veränderung in einem Dreijahreszeitraum.
6) Veränderung gegenüber Vorjahr in %.
7) Dreijahresdurchschnitt.
8) Veränderung in einem Dreijahreszeitraum in Prozentpunkten.
4 Zusammenfassung der Länderprüfung
4.1 Bulgarien
Im Mai 2024 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate in Bulgarien 5,1 % und lag somit deutlich oberhalb des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 3,3 %. Diese Rate dürfte in den kommenden Monaten allmählich sinken, da sich der Preisdruck auf den vorgelagerten Stufen und die Lieferengpässe weiter abschwächen. Die Kerninflation dürfte weiterhin anhaltend hoch sein, was vor allem auf den kräftigen Lohndruck bei einer angespannten Arbeitsmarktlage zurückzuführen sein dürfte. Die Lohnstückkosten erhöhten sich in der Zeit von 2020 bis 2023 um 27,4 %. Diese Rate liegt deutlich über jener für den Euroraum von 9,5 %. Auf längere Sicht bestehen Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in Bulgarien. Der Aufholprozess dürfte zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem Eurogebiet führen, da das Pro-Kopf-BIP und das Preisniveau in Bulgarien weiterhin erheblich niedriger sind als im Euroraum.
Derzeit liegt kein Beschluss des Rates vor, wonach in Bulgarien ein übermäßiges Defizit besteht. Das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit Bulgariens lag 2023 mit 1,9 % des BIP deutlich unterhalb des Referenzwerts von 3 % des BIP. Auch die Schuldenquote lag mit 23,1 % deutlich unter dem Referenzwert von 60 %.
Der bulgarische Lew nahm während des zweijährigen Beobachtungszeitraums vom 20. Juni 2022 bis zum 19. Juni 2024 am WKM II teil. Im Referenzzeitraum wies der Lew keine Abweichung vom Leitkurs auf. Die Vereinbarung über die Teilnahme am WKM II beruhte auf einer Reihe politischer Zusagen der bulgarischen Behörden. Bulgarien arbeitet derzeit auf die Erfüllung dieser Verpflichtungen hin und ist gehalten, seine Bemühungen zur Umsetzung der Vorgaben des Aktionsplans zu beschleunigen. Dieser Aktionsplan wurde von der Financial Action Task Force (FATF) verabschiedet, nachdem Bulgarien im Oktober 2023 in die Liste der Länder aufgenommen worden war, die unter verstärkter Beobachtung stehen (Graue Liste).
Im Referenzzeitraum von Juni 2023 bis Mai 2024 lagen die langfristigen Zinsen in Bulgarien bei durchschnittlich 4,0 % und damit unterhalb des Referenzwerts für das Zinskriterium von 4,8 %. Die Differenz zwischen den langfristigen Zinsen in Bulgarien und dem (BIP-gewichteten) Zinssatz des Euroraums verringerte sich leicht und lag am Ende des Referenzzeitraums bei 0,9 Prozentpunkten. Die Kapitalmärkte in Bulgarien sind nach wie vor kleiner und deutlich weniger entwickelt als jene im Euroraum.
Vorbehaltlich der in Abschnitt 7.1 dargelegten Voraussetzungen und Auslegungen steht das bulgarische Recht gemäß Artikel 131 AEUV mit den Verträgen und der ESZB-Satzung im Einklang.
4.2 Tschechische Republik
Im Mai 2024 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate in der Tschechischen Republik 6,3 % und lag somit deutlich oberhalb des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 3,3 %. Diese Rate dürfte in den kommenden Monaten allmählich sinken, was vor allem der vorangegangenen geldpolitischen Straffung sowie der anhaltenden Abschwächung des Preisdrucks auf den vorgelagerten Stufen und der Lieferengpässe zuzuschreiben ist. Zugleich wird von der sehr angespannten Arbeitsmarktlage nach wie vor ein Aufwärtsdruck auf die Teuerung ausgehen. Auf längere Sicht bestehen einige Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in der Tschechischen Republik. Sofern nicht ein Anstieg des nominalen Wechselkurses gegenläufig wirkt, könnte der Aufholprozess zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem Eurogebiet führen, da das Pro-Kopf-BIP und das Preisniveau in der Tschechischen Republik weiterhin verhältnismäßig niedriger sind als im Euroraum.
Derzeit liegt kein Beschluss des Rates vor, wonach in der Tschechischen Republik ein übermäßiges Defizit besteht. Das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit der Tschechischen Republik lag 2023 mit 3,7 % des BIP oberhalb des Referenzwerts von 3 % des BIP. Die Schuldenquote lag mit 44,0 % unter dem Referenzwert von 60 %. Im Juni 2024 stufte die Europäische Kommission die Überschreitung des Referenzwerts für das Defizit als vorübergehend ein, da das für 2024 und 2025 prognostizierte Defizit nicht über dem Referenzwert liegt. Nach Berücksichtigung der einschlägigen Faktoren befand die Kommission, dass das Defizitkriterium des Stabilitäts- und Wachstumspakts erfüllt wird.
Die tschechische Krone nahm während des zweijährigen Beobachtungszeitraums vom 20. Juni 2022 bis zum 19. Juni 2024 nicht am WKM II teil, sondern wurde in einem Regime flexibler Wechselkurse gehandelt. Der Wechselkurs der tschechischen Krone in Relation zum Euro wies im Referenzzeitraum im Schnitt eine relativ hohe Volatilität auf. Am 19. Juni 2024 lag er bei 24,9100 Kronen je Euro und die Währung damit 0,8 % unter ihrem Durchschnittswert vom Juni 2022.
Im Referenzzeitraum von Juni 2023 bis Mai 2024 lagen die langfristigen Zinsen in der Tschechischen Republik bei durchschnittlich 4,2 % und damit unterhalb des Referenzwerts für das Zinskriterium von 4,8 %. Die Differenz zwischen den langfristigen Zinsen in der Tschechischen Republik und dem (BIP-gewichteten) Zinssatz des Euroraums verringerte sich leicht und lag am Ende des Referenzzeitraums bei 1,1 Prozentpunkten. Die Kapitalmärkte in der Tschechischen Republik sind kleiner und deutlich weniger entwickelt als jene im Euroraum.
Das tschechische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit der Zentralbank, das Verbot der monetären Finanzierung und die rechtliche Integration der Zentralbank in das Eurosystem. Als EU‑Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, muss die Tschechische Republik alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen Anpassungen vornehmen.
4.3 Ungarn
Im Mai 2024 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate in Ungarn 8,4 % und lag somit erheblich oberhalb des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 3,3 %. Diese Rate dürfte in den kommenden Monaten allmählich sinken, was vor allem der vorangegangenen geldpolitischen Straffung sowie der anhaltenden Abschwächung des Preisdrucks auf den vorgelagerten Stufen und der Lieferengpässe zuzuschreiben ist. Zugleich wird von der angespannten Arbeitsmarktlage und umfangreichen Neubepreisungen im Dienstleistungssektor nach wie vor ein Aufwärtsdruck auf die Teuerung ausgehen. Die Lohnstückkosten erhöhten sich in der Zeit von 2020 bis 2023 um 34,0 %. Diese Rate liegt deutlich über jener für den Euroraum von 9,5 %. Auf längere Sicht bestehen Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in Ungarn. Sofern nicht ein Anstieg des nominalen Wechselkurses gegenläufig wirkt, dürfte der Aufholprozess zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem Eurogebiet führen, da das Pro-Kopf-BIP und das Preisniveau in Ungarn weiterhin niedriger sind als im Euroraum.
Die Europäische Kommission stellte im Juni 2024 fest, dass Ungarn das Defizitkriterium des Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht erfüllte. Das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit Ungarns lag 2023 mit 6,7 % des BIP erheblich oberhalb des Referenzwerts von 3 % des BIP. Auch die Schuldenquote lag mit 73,5 % über dem Referenzwert von 60 %. Aufgrund der Nichterfüllung des Defizitkriteriums beabsichtigt die Kommission, dem Rat im Juli 2024 vorzuschlagen, nach Artikel 126 Absatz 6 AEUV einen Beschluss über das Vorliegen eines übermäßigen Defizits in Ungarn zu fassen.
Der ungarische Forint nahm während des zweijährigen Beobachtungszeitraums vom 20. Juni 2022 bis zum 19. Juni 2024 nicht am WKM II teil, sondern wurde in einem Regime flexibler Wechselkurse gehandelt. Der Wechselkurs des ungarischen Forint in Relation zum Euro wies im Referenzzeitraum im Schnitt eine sehr hohe Volatilität auf. Am 19. Juni 2024 lag er bei 396,3400 Forint je Euro und die Währung damit nahezu unverändert (+0,1 %) bei ihrem Durchschnittswert vom Juni 2022. Im Juni 2020 schloss die Magyar Nemzeti Bank eine Vereinbarung über eine Repo-Linie mit der EZB ab. Im Rahmen dieser Repo-Linie kann die Magyar Nemzeti Bank bis zu 4 Mrd. € gegen hochwertige auf Euro lautende Sicherheiten bei der EZB aufnehmen, um den ungarischen Finanzinstituten Liquidität in Euro bereitzustellen. Diese Vereinbarung blieb im Referenzzeitraum bestehen, da sie im Januar 2024 erneut verlängert wurde.
Im Referenzzeitraum von Juni 2023 bis Mai 2024 lagen die langfristigen Zinsen in Ungarn bei durchschnittlich 6,8 % und damit oberhalb des Referenzwerts für das Zinskriterium von 4,8 %. Die Differenz zwischen den langfristigen Zinsen in Ungarn und dem (BIP-gewichteten) Zinssatz des Euroraums verringerte sich erheblich und lag am Ende des Referenzzeitraums bei 3,7 Prozentpunkten. Die Kapitalmärkte in Ungarn sind kleiner und deutlich weniger entwickelt als jene im Euroraum.
Das ungarische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit der Zentralbank, das Verbot der monetären Finanzierung, die Anforderungen an die einheitliche Schreibweise des Euro und die rechtliche Integration der Zentralbank in das Eurosystem. Als EU‑Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, muss Ungarn alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen Anpassungen vornehmen.
4.4 Polen
Im Mai 2024 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate in Polen 6,1 % und lag somit deutlich oberhalb des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 3,3 %. Diese Rate dürfte in den kommenden Monaten allmählich sinken, was vor allem der vorangegangenen geldpolitischen Straffung sowie der anhaltenden Abschwächung des Preisdrucks auf den vorgelagerten Stufen und der Lieferengpässe zuzuschreiben ist. Zugleich wird von der angespannten Arbeitsmarktlage nach wie vor ein Aufwärtsdruck auf die Teuerung ausgehen. Die Lohnstückkosten erhöhten sich in der Zeit von 2020 bis 2023 um 22,8 %. Diese Rate liegt deutlich über jener für den Euroraum von 9,5 %. Auf längere Sicht bestehen Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in Polen. Sofern nicht ein Anstieg des nominalen Wechselkurses gegenläufig wirkt, dürfte der Aufholprozess zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem Eurogebiet führen, da das Pro-Kopf-BIP und das Preisniveau in Polen weiterhin niedriger sind als im Euroraum.
Die Europäische Kommission stellte im Juni 2024 fest, dass Polen das Defizitkriterium des Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht erfüllte. Das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit Polens lag 2023 mit 5,1 % des BIP deutlich oberhalb des Referenzwerts von 3 % des BIP. Die Schuldenquote lag mit 49,6 % unter dem Referenzwert von 60 %. Aufgrund der Nichterfüllung des Defizitkriteriums beabsichtigt die Kommission, dem Rat im Juli 2024 vorzuschlagen, nach Artikel 126 Absatz 6 AEUV einen Beschluss über das Vorliegen eines übermäßigen Defizits in Polen zu fassen.
Der polnische Zloty nahm während des zweijährigen Beobachtungszeitraums vom 20. Juni 2022 bis zum 19. Juni 2024 nicht am WKM II teil, sondern wurde in einem Regime flexibler Wechselkurse gehandelt. Der Wechselkurs des polnischen Zloty in Relation zum Euro wies im Referenzzeitraum im Schnitt eine relativ hohe Volatilität auf. Am 19. Juni 2024 lag er bei 4,3300 Zloty je Euro und die Währung damit 6,8 % über ihrem Durchschnittswert vom Juni 2022. Im März 2022 schloss die Narodowy Bank Polski eine Swap-Vereinbarung mit der EZB ab, die bis Mitte Januar 2024 bestehen blieb. Im Rahmen dieser Vereinbarung konnte die Narodowy Bank Polski bis zu 10 Mrd. € gegen polnische Zloty bei der EZB aufnehmen, um den möglichen Liquiditätsbedarf in Euro im polnischen Finanzsystem zu decken.
Im Referenzzeitraum von Juni 2023 bis Mai 2024 lagen die langfristigen Zinsen in Polen bei durchschnittlich 5,6 % und damit oberhalb des Referenzwerts für das Zinskriterium von 4,8 %. Die Differenz zwischen den langfristigen Zinsen in Polen und dem (BIP-gewichteten) Zinssatz des Euroraums verringerte sich leicht und lag am Ende des Referenzzeitraums bei 2,6 Prozentpunkten. Die Kapitalmärkte in Polen sind kleiner und deutlich weniger entwickelt als jene im Euroraum.
Das polnische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit der Zentralbank, die Geheimhaltung, das Verbot der monetären Finanzierung und die rechtliche Integration der Zentralbank in das Eurosystem. Als EU‑Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, muss Polen alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen Anpassungen vornehmen.
4.5 Rumänien
Im Mai 2024 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate in Rumänien 7,6 % und lag somit erheblich oberhalb des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 3,3 %. Diese Rate dürfte in den kommenden Monaten allmählich sinken, was vor allem der vorangegangenen geldpolitischen Straffung sowie der anhaltenden Abschwächung des Preisdrucks auf den vorgelagerten Stufen und der Lieferengpässe zuzuschreiben ist. Zugleich ist von einer weiterhin persistenten Kerninflation auszugehen, die von einer kräftigen Lohndynamik vor dem Hintergrund eines angespannten Arbeitsmarktes angetrieben wird. Die Lohnstückkosten erhöhten sich in der Zeit von 2020 bis 2023 um 26,7 %. Diese Rate liegt deutlich über jener für den Euroraum von 9,5 %. Auf längere Sicht bestehen Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in Rumänien. Sofern nicht ein Anstieg des nominalen Wechselkurses gegenläufig wirkt, dürfte der Aufholprozess zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem Eurogebiet führen, da das Pro-Kopf-BIP und das Preisniveau in Rumänien weiterhin niedriger sind als im Euroraum.
Rumänien ist derzeit Gegenstand eines Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit. Die Europäische Kommission stellte im Juni 2024 fest, dass das Land nicht mit wirksamen Maßnahmen reagiert hat. Das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit Rumäniens lag 2023 mit 6,6 % des BIP erheblich oberhalb des Referenzwerts von 3 % des BIP. Die Schuldenquote lag mit 48,8 % unter dem Referenzwert von 60 %. Seit April 2020 befindet sich Rumänien in einem Defizitverfahren, da das Haushaltsdefizit im Jahr 2019 den Referenzwert von 3 % überstieg. Im Jahr 2023 lag das Defizit deutlich über dem empfohlenen Zielwert. Im Juni 2024 befand die Europäische Kommission, dass Rumäniens Maßnahmen unzureichend gewesen sind. Sie empfahl dem Rat, einen Beschluss mit der Feststellung zu fassen, dass Rumänien keine wirksamen Maßnahmen ergriffen hat, um das übermäßige Defizit zu beseitigen.
Der rumänische Leu nahm während des zweijährigen Beobachtungszeitraums vom 20. Juni 2022 bis zum 19. Juni 2024 nicht am WKM II teil, sondern wurde in einem Regime des kontrollierten Floatings zu bedingt flexiblen Wechselkursen gehandelt. Der Wechselkurs des rumänischen Leu in Relation zum Euro wies im Referenzzeitraum im Schnitt eine geringe Volatilität auf. Am 19. Juni 2024 lag er bei 4,9768 Lei je Euro und die Währung damit 0,7 % unter ihrem Durchschnittswert vom Juni 2022. Im Juni 2020 schloss die Banca Naţională a României eine Vereinbarung über eine Repo-Linie mit der EZB ab, die bis Mitte Januar 2024 bestehen blieb. Im Rahmen dieser Repo-Linie konnte die Banca Naţională a României bis zu 4,5 Mrd. € gegen hochwertige auf Euro lautende Sicherheiten bei der EZB aufnehmen, um den rumänischen Finanzinstituten Liquidität in Euro bereitzustellen.
Im Referenzzeitraum von Juni 2023 bis Mai 2024 lagen die langfristigen Zinsen in Rumänien bei durchschnittlich 6,4 % und damit oberhalb des Referenzwerts für das Zinskriterium von 4,8 %. Die Differenz zwischen den langfristigen Zinsen in Rumänien und dem (BIP-gewichteten) Zinssatz des Euroraums nahm leicht zu und lag am Ende des Referenzzeitraums bei 3,2 Prozentpunkten. Die Kapitalmärkte in Rumänien sind deutlich kleiner als jene im Euroraum und nach wie vor unterentwickelt.
Das rumänische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit der Zentralbank, das Verbot der monetären Finanzierung und die rechtliche Integration der Zentralbank in das Eurosystem. Als EU‑Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, muss Rumänien alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen Anpassungen vornehmen.
4.6 Schweden
Im Mai 2024 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate in Schweden 3,6 % und lag somit oberhalb des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 3,3 %. Diese Rate dürfte in den kommenden Monaten allmählich sinken, was vor allem dem restriktiven geldpolitischen Kurs, sinkenden Energiepreisen und der anhaltenden Abschwächung des Preisdrucks auf den vorgelagerten Stufen zuzuschreiben ist. Der Anstieg der Verbraucherpreise dürfte sich 2024 dem 2 %-Ziel der Sveriges riksbank annähern und auch 2025 noch nahe bei diesem Wert liegen. Für die Zukunft sollten die schwedische Geldpolitik und der stabilitätsorientierte institutionelle Rahmen weiterhin das Erreichen von Preisstabilität in Schweden unterstützen.
Derzeit liegt kein Beschluss des Rates vor, wonach in Schweden ein übermäßiges Defizit besteht. Das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit Schwedens lag 2023 mit 0,6 % des BIP deutlich unterhalb des Referenzwerts von 3 % des BIP. Auch die Schuldenquote lag mit 31,2 % deutlich unter dem Referenzwert von 60 %. Das Land war noch nie Gegenstand eines Defizitverfahrens.
Die schwedische Krone nahm während des zweijährigen Beobachtungszeitraums vom 20. Juni 2022 bis zum 19. Juni 2024 nicht am WKM II teil, sondern wurde in einem Regime flexibler Wechselkurse gehandelt. Der Wechselkurs der schwedischen Krone in Relation zum Euro wies im zweijährigen Referenzzeitraum im Schnitt eine hohe Volatilität auf. Am 19. Juni 2024 lag er bei 11,2140 Kronen je Euro und die Währung damit 5,8 % unter ihrem Durchschnittswert vom Juni 2022. Im Referenzzeitraum bestand zwischen der Sveriges riksbank und der EZB eine Swap-Vereinbarung, in deren Rahmen die Sveriges riksbank bis zu 10 Mrd. € gegen schwedische Kronen bei der EZB aufnehmen kann. Diese Vereinbarung besteht seit dem 20. Dezember 2007.
Im Referenzzeitraum von Juni 2023 bis Mai 2024 lagen die langfristigen Zinsen in Schweden bei durchschnittlich 2,5 % und damit weiterhin deutlich unterhalb des Referenzwerts für das Zinskriterium von 4,8 %. Die Differenz zwischen den langfristigen Zinsen in Schweden und dem (BIP-gewichteten) Zinssatz des Euroraums verringerte sich leicht und lag am Ende des Referenzzeitraums bei ‑0,7 Prozentpunkten. Die Kapitalmärkte in Schweden sind im Vergleich zu jenen im Euroraum hoch entwickelt.
Das schwedische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit der Zentralbank, das Verbot der monetären Finanzierung und die rechtliche Integration der Zentralbank in das Eurosystem. Als EU‑Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, muss Schweden alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen Anpassungen vornehmen. Gemäß AEUV besteht für Schweden seit dem 1. Juni 1998 eine Verpflichtung zur Anpassung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Integration in das Eurosystem. Die zuständigen Stellen in Schweden haben bislang keine gesetzgeberischen Maßnahmen getroffen, um die in diesem und in den vorangegangenen Berichten aufgezeigten Unvereinbarkeiten zu beheben.
Danksagung
Der Konvergenzbericht 2024 wurde von der Generaldirektion Volkswirtschaft der EZB koordiniert und erstellt. Andere Geschäftsbereiche der EZB, insbesondere die Generaldirektionen Rechtsdienste, Geldpolitik und Statistik, leisteten hierbei durch ihre Beiträge, Anmerkungen und Anregungen wertvolle Unterstützung. Auch die Kommentare der nationalen Zentralbanken der EU-Mitgliedstaaten und insbesondere der Mitglieder der Editorial Group zum Konvergenzbericht Juni 2024 werden dankbar anerkannt.
Der Konvergenzbericht wurde am 21. Juni 2024 vom Erweiterten Rat der EZB verabschiedet.
Die Abschnitte zur wirtschaftlichen Konvergenz wurden erstellt von Ursel Baumann, Martin Bijsterbosch, Alexandra Olivia Coldea, Matteo Falagiarda, Christine Gartner, Nadine Leiner-Killinger, Christophe Madaschi, Klaus Masuch, Steffen Osterloh, Gábor Vinzce, Giovanni Vitale und Caroline Willeke.
Weitere Beiträge hierzu leisteten Miguel Ampudia, Ana Bairrao, Krzysztof Bankowski, Nicolai Benalal, Francesco Chiacchio, Mar Delgado Téllez, Roberta De Stefani, Juan Luis Diaz del Hoyo, Martin Eiglsperger, Michael Fidora, Nina Furbach, Flavio Fusero, Patrick Grussenmeyer, Stephan Haroutunian, Jürgen Herr, Miska Taneli Jokinen, Jarkko Juhani Kaunisto, Linda Kezbere, Stanimira Kosekova, Eduardo Leite Kropiwiec Filho, Antonio Moreno, Jerzy Niemczyk, Matteo Paolo Pirone, Elvira Rosati und Ulla Neumann.
Die Abschnitte zur rechtlichen Konvergenz wurden erstellt von Axel-Johannes Korb, Christian Kroppenstedt, Justyna Kurzela, Frederik Malfrère und Chiara Zilioli.
Weitere Beiträge hierzu leisteten David Baez Seara, Viktória Bíró, Alina Grosu, Michael Ioannidis, Karen Kaiser, Asen Lefterov, Sarah Levy, Jorge Ruiz Jiménez, Marek Svoboda, Marta Szablewska und Fabian von Lindeiner.
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Übersetzt von der Deutschen Bundesbank im Auftrag der Europäischen Zentralbank. In Zweifelsfällen gilt der englische Originaltext.
Zu Terminologie und Abkürzungen siehe das Glossar der EZB.
HTML ISBN 978-92-899-6741-9, ISSN 1725-9509, doi:10.2866/39, QB-AD-24-001-DE-Q
In den Tabellen verwendete Abkürzungen und Zeichen
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Sofern nicht anders angegeben, bezeichnet „Vertrag“ im vorliegenden Bericht den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, sämtliche Verweise auf Artikelnummern beziehen sich auf die seit dem 1. Dezember 2009 geltende Nummerierung. Sofern nicht anders angegeben, bezeichnet „Verträge“ stets den Vertrag über die Europäische Union und den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Weitere Informationen hierzu finden sich im Glossar, das auf der Website der EZB abrufbar ist.
Bei Abschluss des Maastricht-Vertrags im Jahr 1992 wurde Dänemark eine Ausnahmeregelung oder Opting-Out-Klausel gewährt, die besagt, dass Dänemark nicht an der dritten Stufe der WWU teilnehmen und somit den Euro nicht einführen muss.
Am 4. November 2014 übernahm die EZB die ihr übertragenen Aufgaben nach Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. L 287 vom 29.10.2013, S. 63). Siehe Artikel 33 Absatz 2 dieser Verordnung.
Siehe Erwägungsgrund 10 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM-Rahmenverordnung) (EZB/2014/17) (ABl. L 141 vom 14.5.2014, S. 1).
Siehe Beschluss (EU) 2020/1015 der Europäischen Zentralbank vom 24. Juni 2020 zur Eingehung einer engen Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und der Българска народна банка (Bulgarische Nationalbank) (EZB/2020/30) (ABl. L 224I vom 13.7.2020, S. 1).
Siehe EZB, EZB-Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2020, insbesondere Abschnitt 4.1 (Erweiterung des SSM durch enge Zusammenarbeit).
Die Zinssätze wurden auf der Grundlage vorliegender harmonisierter langfristiger Zinssätze gemessen, die zum Zweck der Konvergenzprüfung ermittelt wurden (siehe Kapitel 6 in der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts).
Siehe Erwägungsgrund 2 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).
Stellungnahme CON/2010/37 und CON/2010/91. Sämtliche Stellungnahmen der EZB sind über EUR‑Lex abrufbar.
Entscheidung 98/317/EG des Rates vom 3. Mai 1998 gemäß Artikel 109j Absatz 4 des Vertrags (ABl. L 139 vom 11.5.1998, S. 30). Anmerkung: Die Bezeichnung der Entscheidung 98/317/EG bezieht sich auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (vor der neuen Nummerierung der Artikel dieses Vertrags gemäß Artikel 12 des Vertrags von Amsterdam); diese Bestimmung wurde durch den Vertrag von Lissabon aufgehoben.
Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. L 236 vom 23.9.2003, S. 33).
Zu Bulgarien und Rumänien siehe Artikel 5 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. L 157 vom 21.6.2005, S. 203). Zu Kroatien siehe Artikel 5 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien und die Anpassungen des Vertrags über die Europäische Union, des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. L 112 vom 24.4.2012, S. 21).
Im Einzelnen sind dies die Konvergenzberichte der EZB vom Juni 2022 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Kroatien, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden), vom Juni 2020 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Kroatien, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden), vom Mai 2018 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Kroatien, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden), vom Juni 2016 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Kroatien, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden), vom Juni 2014 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Kroatien, Litauen, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden), vom Juni 2013 (über Lettland), vom Mai 2012 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Lettland, Litauen, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden), vom Mai 2010 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden), vom Mai 2008 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Polen, Rumänien, die Slowakei und Schweden), vom Mai 2007 (über Zypern und Malta), vom Dezember 2006 (über die Tschechische Republik, Estland, Zypern, Lettland, Ungarn, Malta, Polen, die Slowakei und Schweden), vom Mai 2006 (über Litauen und Slowenien), vom Oktober 2004 (über die Tschechische Republik, Estland, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Slowenien, die Slowakei und Schweden), vom Mai 2002 (über Schweden) und vom April 2000 (über Griechenland und Schweden) sowie der Konvergenzbericht des EWI vom März 1998.
Was Aufgaben und Befugnisse betrifft, die teilweise der EZB übertragen wurden, so dürfen innerstaatliche Rechtsvorschriften den der EZB übertragenen Aufgaben und Befugnissen nicht entgegenstehen. Siehe Stellungnahme CON/2020/15.
Siehe unter anderem EuGH, Rechtssache C-265/95, Kommission gegen Französische Republik, EU:C:1997:595.
Siehe Ziffer 12 der Stellungnahme CON/2005/21, Ziffer 2.4 der Stellungnahme CON/2022/15 und Ziffer 2.6 der Stellungnahme CON/2023/27.
Urteil des EuGH vom 7. Februar 1973, Rechtssache C-39/72, Kommission gegen Italien, EU:C:1973:13, Rn. 16 und 17; Urteil des EuGH vom 10. Oktober 1973, Rechtssache C-34/73, Variola, EU:C:1973:101, Rn. 9 bis 11; Urteil des EuGH vom 2. Februar 1977, Rechtssache C-50/76, Amsterdam Bulb, EU:C:1977:13, Rn. 5 bis 8. Siehe auch Ziffer 12 der Stellungnahme CON/2005/21, Ziffer 2.1 der Stellungnahme CON/2006/10, Ziffer 2.4 der Stellungnahme CON/2006/29, Ziffer 2.1 der Stellungnahme CON/2007/1, Ziffer 2.2 der Stellungnahme CON/2007/43, Ziffer 2.3 der Stellungnahme CON/2022/15 und Ziffer 2.3 der Stellungnahme CON/2023/27.
Z. B. gemäß den einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro (ABl. L 139 vom 11.5.1998, S. 1) oder anderer Bestimmungen des Unionsrechts.
Urteil des EuGH vom 26. Januar 2021, Rechtssache C-422/19 und C-423/19, Hessischer Rundfunk, EU:C:2021:63, Rn. 38 und 39; Urteil des EuGH vom 20. April 2023, Rechtssache C-772/21, Brink’s Lithuania, EU:C:2023:305, Rn. 56 und 57.
Siehe Ziffer 2.2 (Fußnote 6) der Stellungnahme CON/2007/43, Ziffer 2.4 der Stellungnahme CON/2022/15 und Ziffer 2.6 der Stellungnahme CON/2023/27.
Siehe Ziffer 13 der Stellungnahme CON/2005/21, Ziffer 2.2 und 3.2 der Stellungnahme CON/2006/10, Ziffer 2.4 der Stellungnahme CON/2022/15 und Ziffer 2.6 der Stellungnahme CON/2023/27.
Siehe Ziffer 2.6 der Stellungnahme CON/2023/27.
ABl. L 189 vom 3.7.1998, S. 42.
Dies gilt auch für die Geheimhaltungsbestimmungen des ESZB; siehe Abschnitt 2.2.4 des vorliegenden Konvergenzberichts.
Stellungnahme CON/2011/104.
Siehe Ziffer 2.3 der Stellungnahme CON/2019/15 sowie EuGH, Rechtssache C-11/00, Kommission gegen Europäische Zentralbank, EU:C:2003:395, Rn. 134 bis 136.
Stellungnahme CON/2019/23.
Siehe Ziffer 2.2 der Stellungnahme CON/2011/104 und Ziffer 3.2.2 der Stellungnahme CON/2017/34.
Siehe Ziffer 2.2 der Stellungnahme CON/2021/35.
Stellungnahme CON/2010/31.
Stellungnahme CON/2009/93.
Stellungnahme CON/2010/94.
Stellungnahme CON/2016/33.
Grundsätzlich kann die Tatsache, dass es sich um eine geheime Abstimmung handelt, dazu beitragen, die Unabhängigkeit der Beschlussorgane einer NZB zu gewährleisten. Die Möglichkeit einer offenen Abstimmung wird jedoch durch den Grundsatz der institutionellen Unabhängigkeit nicht ausgeschlossen (siehe Ziffer 2.3 der Stellungnahme CON/2022/10).
Stellungnahme CON/2014/25 und CON/2015/57.
Stellungnahme CON/2018/17.
Siehe EuGH; Rechtssache C-3/20, LR Ģenerālprokuratūra (Generalstaatsanwaltschaft der Republik Lettland), ECLI:EU:C:2021:969, Rn. 43.
Siehe EuGH, Rechtssache C-202/18 und C-238/18, Rimšēvičs und EZB gegen Republik Lettland, EU:C:2019:139, Rn. 76.
Siehe EuGH, Rechtssache C-202/18 und C-238/18, Rimšēvičs und EZB gegen Republik Lettland, EU:C:2019:139, Rn. 52, sowie Ziffer 3.7 der Stellungnahme CON/2011/9.
Siehe beispielsweise Stellungnahme CON/2010/56, CON/2010/80, CON/2011/104, CON/2011/106 und CON/2021/9.
Stellungnahme CON/2018/23.
Stellungnahme CON/2012/89.
Stellungnahme CON/2018/17, CON/2019/19 und CON/2019/36.
Stellungnahme CON/2018/53.
Siehe Stellungnahme CON/2019/36 sowie die Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in den Verbundenen Rechtssachen C-202/18 und C-238/18, Rimšēvičs und EZB gegen Republik Lettland, EU:C:2018:1030, Rn. 77.
Siehe EuGH, Verbundene Rechtssachen C-202/18 und C-238/18, Rimšēvičs und EZB gegen Republik Lettland, EU:C:2019:139, Rn. 92: „Hingegen hat der Gerichtshof im Rahmen der ihm gemäß Artikel 14.2 Absatz 2 der Satzung des ESZB und der EZB übertragenen Befugnisse zu überprüfen, dass ein dem betreffenden Präsidenten auferlegtes einstweiliges Verbot, sein Amt auszuüben, nur dann erlassen wird, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er eine schwere Verfehlung begangen hat, die eine solche Maßnahme rechtfertigen kann.“
Stellungnahme CON/2004/35, CON/2005/26, CON/2006/32, CON/2006/44, CON/2007/6, CON/2019/19 und CON/2019/24.
Stellungnahme CON/2022/45.
In diesem Zusammenhang steht es den Mitgliedstaaten frei, die Anforderungen festzulegen, die sie für die Ernennung der Mitglieder der Beschlussorgane ihrer NZB für erforderlich halten, sofern diese nicht den sich aus den Verträgen ergebenden Grundsätzen der Zentralbankunabhängigkeit zuwiderlaufen. Siehe Stellungnahme CON/2018/23, CON/2020/19 und CON/2021/9.
Stellungnahme CON/2021/7 und CON/2023/17.
Stellungnahme CON/2014/24, CON/2014/27, CON/2014/56 und CON/2017/17.
Stellungnahme CON/2023/17 und CON/2023/44. Siehe auch EuGH, Rechtssache C-45/21, Banka Slovenije, ECLI:EU:C:2022:670, Rn. 105.
Artikel 30.4 der ESZB-Satzung findet nur innerhalb des Eurosystems Anwendung.
Artikel 33.2 der ESZB-Satzung findet nur innerhalb des Eurosystems Anwendung.
Stellungnahme CON/2018/17, CON/2020/13, CON/2022/37, CON/2023/17 und CON/2023/24.
ABl. L 115 vom 16.5.2000, S. 1.
Beschluss der Europäischen Zentralbank vom 13. Dezember 2010 über die Erhöhung des Kapitals der Europäischen Zentralbank (EZB/2010/26) (ABl. L 11 vom 15.1.2011, S. 53).
Die grundlegenden Stellungnahmen der EZB in diesem Bereich sind im Wesentlichen: CON/2002/16, CON/2003/22, CON/2003/27, CON/2004/1, CON/2006/38, CON/2006/47, CON/2007/8, CON/2008/13, CON/2008/68 und CON/2009/32.
Stellungnahme CON/2019/12.
Stellungnahme CON/2019/19.
Zur Arbeit der unabhängigen externen Rechnungsprüfer der NZBen siehe Artikel 27.1 der ESZB‑Satzung.
Stellungnahme CON/2011/9, CON/2011/53, CON/2015/57 und CON/2018/17.
Stellungnahme CON/2015/8, CON/2015/57, CON/2016/24, CON/2016/59 und CON/2018/17.
Stellungnahme CON/2017/17 und CON/2018/17.
Stellungnahme CON/2009/85, CON/2017/17, CON/2022/37 und CON/2023/24.
Stellungnahme CON/2009/26 und CON/2013/15.
Stellungnahme CON/2009/59 und CON/2009/63.
Stellungnahme CON/2009/53, CON/2009/83 und CON/2019/21.
Stellungnahme CON/2009/26, CON/2012/69 und CON/2020/13.
Stellungnahme CON/2021/7.
Stellungnahme CON/2019/19.
Stellungnahme CON/2008/9, CON/2008/10, CON/2012/89 und CON/2023/37.
Stellungnahme CON/2019/19.
Stellungnahme CON/2010/42, CON/2010/51, CON/2010/56, CON/2010/69, CON/2010/80, CON/2011/104, CON/2011/106, CON/2012/6, CON/2012/86, CON/2014/7 und CON/2023/37.
Stellungnahme CON/2014/38.
Stellungnahme CON/2021/16.
Stellungnahme CON/2015/8 und CON/2015/57.
ABl. L 332 vom 31.12.1993, S. 1, Artikel 104 und Artikel 104b 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft entsprechen Artikel 123 bzw. Artikel 125 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
Rechtssache C-62/14, Peter Gauweiler u. a., EU:C:2015:400, Rn. 100. Artikel 123 AEUV dient auch dem Ziel der Gewährleistung von Preisstabilität und stärkt die Unabhängigkeit der Zentralbanken.
Siehe Konvergenzbericht 2008, Fußnote 13, in der eine Reihe grundlegender Stellungnahmen des EWI/der EZB, die zwischen Mai 1995 und März 2008 in diesem Bereich verabschiedet wurden, aufgeführt sind.
Erwägungsgrund 14 und Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 3603/93. Siehe beispielsweise Stellungnahme CON/2016/21, CON/2017/4, CON/2020/37 und CON/2021/23.
Siehe Stellungnahme CON/2021/39.
Rechtssache C-45/21, Banka Slovenije, EU:C:2022:670, Rn. 53, 54, 57 und 97. Siehe beispielsweise Ziffer 2.2 der Stellungnahme CON/2022/39, Ziffer 2.2.1 der Stellungnahme CON/2023/17 und Ziffer 2.3 der Stellungnahme CON/2023/44.
Rechtssache C-45/21, Banka Slovenije, EU:C:2022:670, Rn. 67 bis 75 und 84. Siehe beispielsweise Ziffer 3.1 der Stellungnahme CON/2022/39, Ziffer 2.2.2 der Stellungnahme CON/2023/17 und Ziffer 3.1.1 der Stellungnahme CON/2023/44.
Stellungnahme CON/2011/91 und CON/2011/99.
Stellungnahme CON/2009/59 und CON/2009/63.
Stellungnahme CON/2013/56.
Rechtssache C-45/21, Banka Slovenije, EU:C:2022:670, Rn. 71.
Rechtssache C-45/21, Banka Slovenije, EU:C:2022:670, Rn. 75. Siehe beispielsweise Ziffer 2.2.3 der Stellungnahme CON/2023/17 sowie Ziffern 3.1.2 und 3.1.3 der Stellungnahme CON/2023/44.
Stellungnahme CON/2012/50, CON/2012/64 und CON/2012/71.
In Stellungnahme CON/2012/4, Fußnote 42, finden sich Verweise auf weitere einschlägige Stellungnahmen aus diesem Bereich. Siehe auch Stellungnahme CON/2016/55 und CON/2017/1.
Stellungnahme CON/2020/24 und CON/2021/17.
Stellungnahme CON/2015/22, CON/2016/28 und CON/2019/16.
Stellungnahme CON/2011/103, CON/2012/99, CON/2015/3 und CON/2015/22.
Stellungnahme CON/2015/33, CON/2015/35 und CON/2016/60.
Erwägungsgrund 27 der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 149).
Erwägungsgrund 23 der Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger (ABl. L 84 vom 26.3.1997, S. 22).
Stellungnahme CON/2020/24 und CON/2021/17.
Stellungnahme CON/2011/84.
Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 und Stellungnahme CON/2013/2.
Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 3603/93.
Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 3603/93.
Stellungnahme CON/2013/3.
Stellungnahme CON/2009/23, CON/2009/67 und CON/2012/9.
Siehe unter anderem Stellungnahme CON/2010/54, CON/2010/55 und CON/2013/62.
Stellungnahme CON/2012/9.
Siehe hierzu EuGH, Rechtssache C-201/14, Smaranda Bara u. a. gegen Casa Naţională de Asigurări de Sănătate u. a., EU:C:2015:638, Rn. 22; EuGH; Rechtssache C-62/14, Peter Gauweiler u. a., EU:C:2015:400, Rn. 100.
Verordnung (EG) Nr. 3604/93 des Rates vom 13. Dezember 1993 zur Festlegung der Begriffsbestimmungen für die Anwendung des Verbots des bevorrechtigten Zugangs gemäß Artikel 104a des Vertrages [zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft] (ABl. L 332 vom 31.12.1993, S. 4). Artikel 104a des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ist heute Artikel 124 AEUV.
Artikel 3 Absatz 2 und Erwägungsgrund 10 der Verordnung (EG) Nr. 3604/93.
Stellungnahme von Generalanwalt Elmer in der Rechtssache C-222/95, Société civile immobilière Parodi gegen Banque H. Albert de Bary et Cie., EU:C:1997:345, Rn. 24.
Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1); Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338).
Artikel 4 Absatz 1 Ziffer 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013.
Artikel 8 der Richtlinie 2013/36/EU.
Dies wird auch durch Artikel 3 Absatz 2 und Erwägungsgrund 9 der Verordnung (EG) Nr. 3604/93 gestützt.
Leitlinie (EU) 2015/510 der Europäischen Zentralbank vom 19. Dezember 2014 über die Umsetzung des geldpolitischen Handlungsrahmens des Eurosystems (EZB/2014/60) (ABl. L 91 vom 2.4.2015, S. 3).
Je höher die Mindestreservepflicht ist, desto weniger Mittel kann die Bank verleihen, was zu einer geringeren Geldschöpfung führt.
Siehe Artikel 19 der ESZB-Satzung, Verordnung (EG) Nr. 2531/98 des Rates vom 23. November 1998 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht durch die Europäische Zentralbank (ABl. L 318 vom 27.11.1998, S. 1), Verordnung (EG) Nr. 1745/2003 der Europäischen Zentralbank vom 12. September 2003 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht (EZB/2003/9) (ABl. L 250 vom 2.10.2003, S. 10) und Verordnung (EU) Nr. 1071/2013 der Europäischen Zentralbank vom 24. September 2013 über die Bilanz des Sektors der monetären Finanzinstitute (EZB/2013/33) (ABl. L 297 vom 7.11.2013, S. 1).
In der den Verträgen beigefügten „Erklärung der Republik Lettland, der Republik Ungarn und der Republik Malta zur Schreibweise des Namens der einheitlichen Währung in den Verträgen“ heißt es: „Unbeschadet der in den Verträgen enthaltenen vereinheitlichten Schreibweise des Namens der einheitlichen Währung der Europäischen Union, wie sie auf den Banknoten und Münzen erscheint, erklären Lettland, Ungarn und Malta, dass die Schreibweise des Namens der einheitlichen Währung – einschließlich ihrer abgeleiteten Formen, die in der lettischen, der ungarischen und der maltesischen Sprachfassung der Verträge benutzt werden – keine Auswirkungen auf die geltenden Regeln der lettischen, der ungarischen und der maltesischen Sprache hat.“
ABl. L 139 vom 11.5.1998, S. 1.
Stellungnahme CON/2012/87.
Stellungnahme CON/2020/2.
Stellungnahme CON/2010/30 und CON/2010/48.
Siehe insbesondere Artikel 127 und Artikel 128 AEUV sowie Artikel 3 bis 6 und Artikel 16 der ESZB‑Satzung.
Artikel 127 Absatz 2 erster Gedankenstrich AEUV.
Stellungnahme CON/2012/105, CON/2013/90 und CON/2013/91.
Beispielsweise innerstaatliche Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2011/85/EU des Rates vom 8. November 2011 über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 41). Siehe Stellungnahme CON/2013/90 und CON/2013/91.
Stellungnahme CON/2009/99, CON/2011/79 und CON/2017/1.
Stellungnahme CON/2010/8.
Ziffer 3.1 der Stellungnahme CON/2024/1.
Stellungnahme CON/2008/34.
Artikel 127 Absatz 2 dritter Gedankenstrich AEUV.
Ausgenommen davon sind Arbeitsguthaben in Fremdwährungen, die die Regierungen der Mitgliedstaaten nach Artikel 127 Absatz 3 AEUV halten dürfen.
In diesem Zusammenhang müssen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Übereinstimmung mit den im Unionsrecht festgelegten Berichtspflichten gewährleisten. Siehe Stellungnahme CON/2020/29.
Stellungnahme CON/2013/88.
Stellungnahme CON/2015/5 und CON/2015/24.
Artikel 26 der ESZB-Satzung.
Artikel 27 der ESZB-Satzung.
Artikel 28 der ESZB-Satzung.
Artikel 30 der ESZB-Satzung.
Artikel 32 der ESZB-Satzung.
Ziffer 2.1 und 3.2 bis 3.4 der Stellungnahme CON/2022/37; Ziffer 2.1, 2.2 und 3.1 bis 3.5 der Stellungnahme CON/2023/24.
Für die Zwecke dieses Berichts werden die Wechselkurse in nationalen Währungseinheiten je Euro angegeben. Folglich entspricht ein Rückgang (Anstieg) des Wechselkurses einer Aufwertung (Abwertung) der jeweiligen Währung gegenüber dem Euro. Die prozentuale Veränderung gibt an, wie stark die Währung auf- oder abgewertet hat.
Siehe Europäische Kommission, Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (COM(2024) 598 final).
Siehe Europäische Kommission, Debt Sustainability Monitor 2023, Institutional Paper 271, European Economy, 2024.
Die Messung der institutionellen Qualität stellt eine Herausforderung dar, und es besteht zwangsläufig ein gewisser Ermessensgrad. Einerseits können auf Wahrnehmungen beruhende Indikatoren im Vergleich zu anderen Indikatoren gewisse Vorzüge haben. Ein Vorteil liegt darin, dass Umfragen, die auf Wahrnehmungen basieren, sämtliche Aspekte umfassen, während spezifischere Messgrößen stark verzerrte Informationen liefern können. Zwar kann der absolute Wert der wahrnehmungsbasierten Indikatoren fragwürdig sein, doch sind die Indikatoren für länderübergreifende Vergleiche hilfreich, sofern nicht eindeutig gegenüber einem bestimmten Land oder gegenüber mehreren spezifischen Ländern eine systematische Verzerrung vorliegt. Ferner können Indikatoren, die ausschließlich auf Gesetzesinhalten und nicht auf detaillierter Kenntnis der tatsächlichen Umsetzung basieren, in die Irre führen. Da kein institutionelles Modell vorab bevorzugt werden darf, können auf Wahrnehmungen beruhende Umfragen zudem Messfehler verhindern, wenn verschiedene Dimensionen der wirtschaftspolitischen Steuerung direkt gemessen werden. Andererseits sind auch wahrnehmungsbasierte Umfragen mit Verzerrungen behaftet. So können eine zurückliegende Episode oder schlecht formulierte Fragen diese Umfragen stark beeinflussen. Außerdem hat der institutionelle Fokus mit Blick auf die EU-Länder erst in den vergangenen Jahren an analytischer und politischer Bedeutung gewonnen. Daher gibt es generell noch sehr viel Spielraum, was die Verbesserung der Messungen betrifft. Zudem sind länderübergreifende Ansätze, die ein so komplexes Thema wie die institutionelle Qualität oder gute wirtschafts- und finanzpolitische Steuerung behandeln, zwangsläufig in gewissen Bereichen nicht ausreichend und müssen durch länderspezifischere und längerfristige Beurteilungen ergänzt werden. Zugleich sollten Messschwierigkeiten nicht dazu führen, diese entscheidenden Bestimmungsgrößen für langfristigen Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und soziales Wohlergehen herabzusetzen.